Dem Matterhorn ganz nah, vom Rhone-Tal geprägt und reichlich sonnenverwöhnt präsentiert sich der Schweizer Kanton Wallis. Dass er zugleich auch eine wichtige Kräuterkammer ist und Basis für ein berühmtes Schweizer Bonbon, ist weniger bekannt. Ein Besuch bei den Kräuterbauern im südlichen Schweizer Bundesland.
Von Sion aus führt die Straße durch ein lang gestrecktes Tal Richtung Verbier, steil erheben sich die mächtigen Hänge zu beiden Seiten hin. Verschwindend klein wirken die winzigen Dörfer, selbst die Kirchen erscheinen im Miniaturformat. „Das Wallis hat ein eigenes Mikroklima mit geringen Niederschlägen im Sommer“, sagt Fabien Fournier, Betriebsleiter der Genossenschaft Valplantes, einem Zusammenschluss von walliser Gewürz- und Heilkräuterbauern. „Beste Voraussetzungen für den Kräuteranbau.“
Bis in 1.500 Meter Höhe können die verschiedenen Kulturen angebaut werden, allen voran Spitzwegerich, Minze, Zitronenmelisse, Thymian und Salbei. Seit 30 Jahren bauen die 60 Betriebe seiner Genossenschaft auf jährlich 40 Hektar über 50 Pflanzensorten an und beliefern mit ihren Produkten zu 65 Prozent Ricola, das Schweizer Familienunternehmen aus Laufen bei Basel. Seit 1940 produziert das Unternehmen sein viereckiges geriffeltes Kräuterbonbon auf der Basis von 13 Kräuterarten nach einer wohl gehüteten Rezeptur. „Jedes Kraut existiert in unzähligen Varianten“, erklärt Thomas Aeschlimann, Leiter des Kräuteranbaus beim Laufener Produzenten. Nach langjährigen Erfahrungen wisse man, welche die Beste ist.
Damit die Kräuter auch konsequent nach der strengen „Bio Suisse“-Richtlinie angebaut werden und Boden wie Klima optimal für das Gedeihen der verwendeten Kräuter sind, werden die jeweiligen Anbauregionen sorgfältig ausgesucht. Neben dem Emmental, dem Puschlav, Jurasüdfuss, der Zenteralschweiz und dem Tessin ist das Wallis wegen seines milden Klimas eines der bevorzugten Gebiete. Und davon profitieren vor allem die landwirtschaftlichen Familienbetriebe der Region. Wie Jean Luc Deslarzes, seit über 25 Jahren organisiert er den Anbau der Kräuter sowie deren Ernte, Trocknung, Verpackung und Lieferung an den Bonbonhersteller. Damit gehört er zu den zehn Prozent Kräuterbauern, die vollständig vom Geschäft mit den Kräutern leben.
„Ohne Frauen keine Kräuter“
Für die übrigen Bauern ist es ein idealer Nebenerwerb. „Vor allem Frauen finden darin einen flexiblen Halbtagsjob“, beschreibt Fournier die Vorzüge der Kräuterarbeit. Und lobt den „couragierten Einsatz“ der Frauen, ohne den die Kräuterlandwirtschaft gar nicht überleben könnte, in höchsten Tönen. „Ohne Frauen keine Kräuter“, spitzt er zu. Denn ihr Einsatz bei der wichtigen Unkrautbekämpfung sei unersetzlich. Und die verläuft wegen des streng naturgemäßen Anbaus rein mechanisch, meist mit bestimmten Spezialgeräten. „Manchmal bleibt nichts anderes übrig als zur Handharke zu greifen, um die Kräuter nicht zu beschädigen“, bestätigt auch Thomas Aeschlimann. Besonders bei der Direktsaat, dem zweiten Anbauverfahren neben den Setzlingen, wachse das Unkraut schneller als die Kräuter, bis zu 1000 Stunden kämpfe man bei einer Ernte gegen den Wildwuchs an. Mit neuen Methoden wie dem Abflammen vor der Saat versuche man gegenzusteuern – mit Erfolg.
Die Zusammenhalt der Kräuterbauern im Wallis funktioniere seit eh und je gut, meint Fournier in seinem französisch gefärbten Deutsch. „Es gibt noch echte Bergsolidarität.“ Man stehe füreinander ein und wer für bestimmte Arbeiten zu alt ist kriegt Hilfe von den Jüngeren. So laufe das auch beim Gebrauch der Maschinen, welche die Genossenschaft an die Bauern vermietet. „Fünf Bauern teilen sich ein Gerät und bearbeiten gemeinsam ihre Parzellen“, bestätigt Fournier.
Wenn im April Saatgut und Setzlinge ausgebracht werden, wissen die Bauern, dass eine gute Ernte entscheidend von der Qualität des Saatgutes abhängt. Und damit diese auch gewährleistet ist, arbeiten sie eng mit dem staatlichen Forschungslabor Agroscope zusammen. Oberhalb von Verbier in der Ortschaft Bruson erforscht Catherine Baroffio mit ihrem Team in 1000 Meter Höhe auf zwei Hektar die Züchtung neuer Kräuterarten sowie die Erhaltung der Qualität durch biologischen Pflanzenschutz. „Die Züchtung neuer Sorten dauert bis zu zehn Jahren“, sagt die Biologin. Nach bis zu 15 Kreuzungen werde der „interessanteste Hybrid als Sorte vermehrt.“ Es gehe darum eine höhere Qualität zu gewinnen, z.B. einen höheren Blattanteil oder einen geringeren Blütenanteil, erklärt Baroffio. Ihre Erkenntnisse leitet sie an die Produzenten und Kräuterbauern weiter und trägt dazu bei, Verluste zu verhindern und den Ertrag zu erhöhen.
Für Fournier und seine Genossenschaft eine wichtige Hilfe um die Zutaten für die berühmte Mischung des Schweizer Kräuterbonbons zu liefern aber auch um neue Kräuterspezialitäten und Geschmacksrichtungen zu entwickeln. Apropos Geschmack: der entfaltet sich ganz besonders in der Stube der Fourniers. In seinem alten traditionellen Holzhaus beim landestypischen Raclette und einem spritzigen Fendant, dem hiesigen Weißwein, wird ein Hauch Bergsolidarität spürbar. Jeder der Nachbarn trägt mit eigenen Zutaten an der schlichten aber sehr schmackhaften Tafel bei.
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