Auf dem Satellitenbild wirkt sie wie ein runder grüner Tupfer im blauen Meer. Wer La Gomera bereist wird von pfeifenden Menschen begrüßt, wandert durch Lorbeerwälder und versteht, warum die Insel auch La Isla Colombina genannt wird.
Im Handumdrehen führt sie Zeige- und Mittelfinger ihrer linken Hand zum Mund, ihre Rechte formt sich zum Schalltrichter. Beherzt bläst sie durch die gespitzten Lippen, bis ein schriller Pfeifton entweicht. Und so geht es weiter: Ton für Ton, in unterschiedlicher Höhe und Länge. „Herzlichen Willkommen auf La Gomera“, pfeift Iballa den Besuchern entgegen. Genauso wie es ihre Vorfahren, die Guanchen, über Jahrhunderte machten.
Schon vor 600 Jahren sprachen französische Missionare von Bewohnern, die nur „mit den Lippen sprechen“. Und das half. So verständigten sie sich über die insgesamt 57 barrancos, jenen tiefen und weiten Schluchten, die vom Gipfel zum Meer hinabführen. Bis zu drei Kilometer weit hallen die Töne. Heute diene El Silbo, die Pfeifsprache, vor allem der „Traditionspflege“, erklärt Petra Schramm, die Reiseleiterin mit deutschen Wurzeln. In der Grundschule werden die mehr als 3000 Silben gelehrt, um sie als Kulturgut zu erhalten. Zu hören ist El Silbo meist auf den verschiedenen Fiestas der Insel.
Wein, Orangen, Mangos und Avocados wachsen auf den Hängen
Die meisten Besucher, die in der Hauptstadt San Sebastian die Insel betreten, reisen weiter ins Valle Gran Rey, dem großen Königstal oder zur Playa Santiago. Aber auch der weniger erschlossene Norden hat seine Reize. Serpentinenreich führt der Weg von San Sebastian über die Nordstraße, der ältesten Route La Gomeras, via Hermigua nach Agulo. Auf den terrassenförmig angelegten Hängen gedeihen Wein, Orangen, Mangos und Avocados. „Ein Erbe der Spanier“, verweist Schramm. Sie hätten damals Wald und Vegetation abgerodet um auf den Terrassen Zuckerohr und Getreide anzubauen. Heute überzieht ein Meer aus Dattelpalmen zudem die Landschaft. „Rund 165.000 sind es und damit mehr als auf allen anderen Kanarischen Inseln zusammen“, weiß die Wahlinsulanerin. Sie sind nicht nur schön anzusehen, es ist vor allem der guarapo, der sie so unentbehrlich macht. Jener Palmensaft, aus dem der berühmte miel de palma, der Palmenhonig hergestellt wird. Etwa drei Monate lang kann die edle Flüssigkeit Nacht für Nacht aus den Bäumen gezapft werden, „bis zu zehn Liter pro Nacht“, bekräftigt die deutsche Einwanderin. Danach regeneriere die Pflanze bis zu fünf Jahre lang – bis zur nächsten Ernte.
Nach Hermigua werden die Bananenplantagen immer dichter. „50 Prozent aller plátanos der Insel stammen von hier“, sagt die temperamentvolle Reiseleiterin „in der nahen Playa de Hermigua wurden sie früher verladen.“ Bananen? Ja, viel kleiner seien sie als die aus Südamerika, dafür süßer und schmackhafter. Kaum zu finden in deutschen Supermärkten und seit die EU die Einfuhrzölle für lateinamerikanische Bananen gesenkt haben, „sind die kanarischen Bananen nicht mehr konkurrenzfähig“, bedauert Schramm.
Konkurrenzlos hingegen ist der kleine Küstenort Agulo im Nordosten der Insel. Zum Landesinnern hin ragt das Gebirge des Garajonay wie eine massive Wand gen Himmel, zur Küste hin fasziniert der Blick auf die Nachbarinsel Teneriffa und dem mit 3718 Metern höchsten Berg Spaniens, den Teide. Bei einem Rundgang durch die engen kopfsteingepflasterten Gassen und kleinen Plätze scheint die Zeit für einen Augenblick still zu stehen. Man stellt sich vor, wie zur alljährlichen Fiesta Los Piques die Pfeiftöne hin und her durch den Ort schallen – dann lassen die Gomeros für ein paar Tage wieder ihre Lippen sprechen.
Wie El Silbo gehört auch der weltweit größte zusammenhängende Lorbeerwald im Nationalpark Garajonay zur Visitenkarte der Insel. Teils bis zu 30 Meter hoch sind die Bäume mit ihren langen Flechtenbärten inmitten imposanter Farngewächse. Mystisch wirken sie besonders dann, wenn sich der Vulkankegel des Garajonay – wie so oft – in Wolken hüllt. Jedes Knacken, jedes Kreischen, jedes Geräusch wird zu einem Hexentanz. Schier unverwechselbar bleibt der Rundgang über einen der markierten Wege. Fast federnd läuft man über den feuchten Boden und mit jedem Atemzug spürt man die reiche Auswahl verschiedenster Kräuter, begleitet vom Gezwitscher der einheimischen Vogelwelt.
Zurück nach San Sebastian lohnt ein Abstecher ins Töpferdorf La Chipude, am besten in die Bar Maria auf ein Glas des heimischen Weißweins. Umgeben von üppigem Sammelsurium aus Pokalen, Medaillen, Urkunden und kleinen Andenken fühlt man sich in diesem kleinen „Museum“ der Insel gleich ein Stück näher. Maria und ihre Gäste betrachten den Besucher mit viel Herz und Charme und plaudern gern über ihre Isla Colombina. Kolumbusinsel? Ja, erzählen sie von allen Seiten rege drauf los. Am 12. August 1492 hätte die Flotte von Cristobal Colon vor seiner Atlantiküberquerung ein letztes Mal an der Küste Gomeras angelegt, um Proviant und Wasser zu laden. „Und mit diesem Wasser wurde Amerika getauft“, ist jeder in der Bar überzeugt. Im alten Zollhaus von San Sebastian erinnert eine Tafel am Brunnen La Aguada „Con este agua se bautizó America.“ – mit diesem Wasser wurde Amerika getauft.
Mehr Information
Spanisches Fremdenverkehrsamt
Turespaña-München
Postfach 151940
80051 München
0049/(0)89/530746-14
http://www.e-spain.info/index.cfm?cid=14425
Übernachtung
Hotel Gran Rey, La Puntilla, s/n 38870 Valle Gran Rey, La Gomera
Tel. 0034 922 80 58 59
www.hotelgranrey.com
Hotel Jardin Tecina, Playa Santiago, La Gomera
Tel: 0034 902 222 140
www.jardin-tecina.com