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Namibia: Vollklimatisiert durch die Wüste

Auch auf Gleisen lässt sich Namibia in all seinen Facetten erkunden – vom Fish River Canyon über die Namib Wüste bis hin zum Etosha Nationalpark. Die Entdeckung der Langsamkeit im Südwesten Afrikas.

Freudestrahlend schweift ihr Blick über die endlos geraden Schienen gen Horizont, wo sich die Bergkette im afrikanischen Abendrot abzeichnet. Dann blickt sie hinüber nach links – zum Lokführer – lacht, gestikuliert und plaudert aufgeregt. Alice Aademar aus Zürich ist Gast im Desert Express und nicht irgendein Gast; sie ist stolze Gewinnerin des Zug-Quiz und fährt jetzt im Cockpit vorne mit, neben Lokführer und Assistenten. Sie hat errechnet, dass die amerikanische GI Lokomotive in den zehn Tagen ihrer Strecke durch weite Teile Namibias etwa 2200 Kilometer zurücklegt – ganz nach alter Manier mit einem Faden über der Landkarte.

Begrüßungscocktail vor dem Start

Begrüßungscocktail vor dem Start

„Genau die richtige Mischung“, lobt Alice Aademar das abwechslungsreiche Programm zwischen Gleis und Canyon. Nach mehrstündiger Exkursion mit dem Bus zum Fish River Canyon über die Pads, jener naturbelassenen Schotter- und Sandstraßen, freut sie sich auf den vollklimatisierten Zug und seine herzliche Besatzung. Zugmanagerin Angela Doëses sorgt dafür, dass die Crew ihre Aufgaben mit viel Charme bewältigt. Die 38-jährige vom Stamm der Tamara war von Anfang an dabei. Die Wagons Springbok, Oryx, Spitzkoppe, Kokeboom oder Weltwitschia, benannt nach Tieren, Pflanzen und Landschaften Namibias, nahmen am 3. April 1998 nach knapp zweijähriger Bauzeit ihren Dienst auf. Seither befördert der Luxuszug Touristen auf dem 3227 Kilometer langen Schienennetz des Landes.

Bordarzt Bunte kümmert sich um die Wehwehchen

Die Gäste kommen vor allem aus Japan, England, Südafrika und Deutschland. „Deutsche mögen es pünktlich und Südafrikaner feiern gern“, weiß Angela um die Eigenschaften ihrer Passagiere. Und wenn es Probleme gibt, hat die Zugmanagerin gut vorgesorgt. An jedem der Bahnhöfe auf der Strecke stehen Mechaniker in Bereitschaft. „So werden mögliche Defekte an der Klimaanlage oder im Sanitärbereich schnell repariert.“ Auch die medizinische Versorgung kommt nicht zu kurz, dafür ist Bordarzt Horst Bunte zuständig. Der Arzt aus Hannover gehört seit vier Jahren zur Crew des Desert Express und versorgt die Patienten bei Erkältungen, Kreislaufproblemen und Magen-Darm-Krankheiten, den häufigsten Wehwehchen an Bord.

Gelb-braune Gräser zieren den ausgedörrten Boden, ein verlassener Bahnhof mit verwaister Bar zieht am Abteilfenster vorbei, einige 100 Meter weiter spielen Kinder nahe am Gleis – sie starren dem Zug winkend nach. „Im Süden des Landes leben nur sieben Prozent der 1,9 Millionen Namibier“, erklärt Inge Hugo, zuständig für die Landeskunde im Desert Express, die verlassene Gegend südlich der Hauptstadt, „in erster Linie von der Viehzucht.“ Zwei Drittel der Bevölkerung besiedeln den wesentlich fruchtbareren Norden. Und weil die ehemaligen Kolonialmächte die Grenzen willkürlich und quer durch Stammesgebiete gezogen hätten, seien im Land die verschiedensten Ethnien ansässig – „ein Vielvölkerstaat“, sagt die temperamentvolle Südafrikanerin mit österreichischen Vorfahren.

Tote Bäume sind bis zu 800 Jahre alt

Kurz nach Sonnenaufgang, um sechs, erreicht der Sonderzug Mariental, von hier kämpft sich der Bus über die Pads in die älteste Wüste der Welt – die Namibwüste, in der Sprache des Stammes der Nama „große Ebene“. Kurz nach dem Eintritt in den Namib-Naukluft-Nationalpark prägen rote Sanddünen die Landschaft, davor Kameldorn- und Anabäume sowie weitere endemische Sträucherarten, die abgestorben und vertrocknet wirken. „Sie schlagen schon nach geringen Regengüssen wieder aus“, beteuert Inge Hugo. In der Ferne grast eine Herde Oryx-Antilopen, das Wappentier Namibias, vereinzelt sieht man Springböcke, die elegant und grazil das Weite suchen. Nur zu erahnen ist das Flussbett des Tsanchab River, der durch den Sesriem Canyon führt – „im März führte er zuletzt Wasser“, weiß die Reiseleitung.

Nach weiteren Kilometern über die vorübergehend asphaltierte Straße ist die Düne 45 erreicht. Sie gehört zum Sossus Vlei, einer Lehmbodensenke, um die sich die bis zu über 300 Meter hohen Dünen gruppieren. „Numeriert werden sie wegen der besseren Orientierung“, erklärt Wüstenliebhaberin Hugo. Der Anstieg auf die Spitze der Düne lohnt sich: von hier schweift der Blick über die weite Dünenlandschaft bis hinüber zum Dead Vlei. „Eine riesige Mulde mit toten Bäumen, die bis zu 800 Jahre alt sind“, erklärt die engagierte Südafrikanerin. Bizarr und wie gemalt wirken die Baumstämme in der verkrusteten Mulde mit den roten Sanddünen als Kulisse. Ein Bild, das auch beim abendlichen Dinner in der naheliegenden Sossus Vlie Lodge, noch nachwirkt.

In Swakopmund, wegen ihrer kolonialen Architektur die deutscheste Stadt Namibias, steht der Desert Express bereits in den Startlöchern. Mit frischem Brot, Milch, Früchten und Gemüse bestückt, zuckelt der Wüstenzug von hier über die Spitzkoppe, dem Matterhorn Namibias und durch das Otavi-Hochland in Richtung Etoscha-Nationalpark. An Kilometer 74 auf der Bahnstrecke nach Angola verabschiedet der Sonderzug seine 40 Gäste in eine Lodge, diesmal umgeben von Namibias vielseitiger Tierwelt und gelegen an der Pforte zur gigantischen Etosha-Salzpfanne – seit über 100 Jahren ein Wildschutzgebiet mit einer Fläche so groß wie die Schweiz. Auf einer Safari in den frühen Morgenstunden passieren Giraffen den Weg, springen Antilopen über Gräser und Büsche, genießt eine träge Löwenfamilie den Schatten unterm Akazienbaum, badet ein Elefantenpaar im Wasserloch und duzende Zebras weiden in der weiten Savanne.

Vereinzelt ziehen auch auf den letzten gut 15 Stunden Zugfahrt zurück nach Windhoek Antilopen und Strauße am Abteilfenster vorbei – für die meisten eine Entdeckung im Rhythmus der Langsamkeit.

Mehr Infos
Lernidee Reisen: „Sonderzugreise Juwel der Wüste“
Telefon: 030/786 00 00 www.lernidee.de
www.desertexpress.com.na

Etosha Nationalpark
Das bedeutendste Naturschutzgebiet Afrikas mit Hunderten von Tierarten, sehr seltenen Büschen und Bäumen und grandiosen Landschaftsformen. Zentrum des Parks ist die Etosha-Pfanne (129 km lang, bis zu 72 km breit). Insgesamt 114 Säugetier- und 340 Vogelarten sind in Etosha beheimatet. Darunter 3.000 Elefanten, 30.000 Springböcke, 2.000 Giraffen, 2.000 Sträuße, 500 Löwen und 300 Nashörner.

Der Namib-Naukluft-Park:
Das größte Naturschutzgebiet des Landes und das viertgrößte der Welt präsentiert sich mit einer immer wieder wechselnden Landschaft: erhabene Gebirgsmassive, weite Wüstenebenen, hohe Dünen, tiefe Schluchten und eine den Gezeiten ausgesetzte Lagune. Den Höhepunkt bietet die Region im Sossusvlei.

Reisezeit:
Namibia kann aufgrund des angenehmen Klimas das ganze Jahr hindurch bereist werden. Heiß und feucht ist es von Dezember bis Februar.

Geld:
Landeswährung ist der namibische Dollar, der an den südafrikanischen Rand gekoppelt ist: Für 1 Euro erhält man rund 10 namibische Dollar