Es sollte eine spannende zweiwöchige Rundreise durch Rajasthan werden. Vielleicht nicht ganz so spannend, würde Heike B. rückblickend vielleicht sagen. Denn am Flughafen in Neu Delhi wird ihr schnell klar: Das Gepäckband spuckt ihren Koffer nicht aus. Nachfragen bei der Airline ergeben: Der begehrte Trolley ist wegen des Abflugchaos am Frankurter Flughafen offenbar in einen anderen Flieger geraten.
Spätestens in zwei Tagen sei der Koffer in Delhi, so die optimistische Prognose. Dumm nur, dass Heike B. eine Rundfahrt per Kleinbus gebucht hat und jeden Tag ein neues Ziel ansteuert um ihre geplante Route einhalten zu können.
Der Kölnerin bleibt keine andere Wahl. Sie ist auf die Hilfsbereitschaft aus der Gruppe angewiesen. Und die ist riesengroß. Dennoch: Gerade bei Temperaturen von über 30 Grad Celsius und teils sehr hoher Luftfeuchtigkeit sind die persönlichen Utensilien Gold wert. Schließlich hat sie sich vor der Reise lange genug damit beschäftigt, was mit soll und was nicht.
Hier ein Tuch gegen die Sonne und den Staub gekauft, dort ein weites Hemd erstanden. Ein paar dringende Käufe auf dem Basar machen den Engpass etwas erträglicher. Immerhin ist der Fotoapparat im Handgepäck und das Notizbuch ist auch dabei, selbst eine Baseballmütze taucht auf. Doch als nach zwei bis drei Tagen klar wird, dass vom Koffer trotz der täglichen Ankündigungen noch immer nichts zu sehen ist, schwindet die Hoffnung, das Unwohlsein wächst. Dass es wohl nichts mehr werden wird mit den persönlichen Accessoires, wird Heike B. immer bewusster. Die weiten beschwerlichen Strecken, die der Kleinbus täglich zurücklegt sind der beste Beweis. Sie lassen es unmöglich erscheinen, dass ihr Trolley sie jemals in Indien erreicht.
Dann die Nachricht wie aus dem Nichts: „The Suitcase will arrive by plane, tomorrow in Jaipur at 2 pm“, verkündet der Reiseleiter. Ein glückliches Ende in Sicht oder nur eine neuer Hoffnungsschub? Mittlerweile ist es auch schon egal, nach acht Tagen ohne Koffer, schafft sie auch noch den Rest der Zeit, hat sich bei Rajasthan-Reisenden langsam eine pragmatische Grundhaltung entwickelt.
Als nach der morgendlichen Besichtigungstour tatsächlich ein Trolley an der Rezeption steht, der auffallend dem vermissten Objekt ähnelt, bricht ungezügelte Freude aus. Nicht nur bei Heike B.: die gesamte Gruppe veranstaltet einen ausgelassenen Freudentanz und hüpft singend um das weitgereiste Objekt: „Ja, ja, ja, der Koffer ist wieder da“.