Archiv des Autors: Markus Howest
Toskana: Zuhause im Castello
Sanfte Hügel, Zypressenalleen, Weingüter in alten Burgen und überall der Hauch von Wein, Oliven und Kultur – ein Besuch in der Heimat des Chianti ist im Frühling ein ganz besonderer Genuss.
„Buena Serra“, ruft Luciana den Besuchern schon von weitem zu. Sie eilt mit Enkel Sebastiano an der Hand den holprigen Weg zum kleinen Büro hinunter, wo sie ihre neuen Gäste empfängt. Zu Besuch im 450 Meter hoch gelegenen und von einer Mauer umgebenen Castello Montozzi, bestehend aus dem Haupthaus und drei frei stehenden rustici, toskanische Bauernhäuser. Wie ein kleines Dorf erscheint das historische Anwesen mit seiner kleinen Kapelle, das zur Gemeinde Pergine Valdarno nahe Arezzo gehört. Schnell fühlt man sich inmitten von Oliven und Zypressen heimisch. Die „echte Toskana“, wie man sie sich an manch grauen Büroalltagen herbeisehnt, so mag es einem unweigerlich beim Anblick der fruchtbaren Hügel durch den Kopf zischen. „Einfach klingeln, wenn ihr etwas braucht“, verabschiedet sich die Gutsverwalterin nach dem unkomplizierten Check-in mit beschwingtem Sing Sang. „Tutto bene?“ Na, klar bei dem Panoramablick!
Sierra de Gredos: Unberührtes Kastilien
Abgelegene Dörfer, faszinierende Schluchten und schneebedeckte Gipfel prägen das kastilische Scheidegebirge. Wer die südlichste Alpinlandschaft Europas erkundet begegnet eher Steinböcken als Menschen.
Wie die Kulisse eines Road Movie wirkt die einsame Weite Kastiliens, schnurgerade verläuft die Straße. Mit jedem Kilometer wird das Land schroffer und karger, rötlich schimmert die Erde in der frühen Abendsonne, vereinzelt Gehöfte, ein paar Stallungen, die ersten Ausläufer der 100 Kilometer langen Gebirgskette erheben sich gen Westen. Irgendwann windet sich die Carretera Nacional kurvenreich in Richtung Sierra de Gredos hinauf.
„Früher bin ich mit meiner Frau und den Kindern jedes Wochenende in die Berge gefahren“, sagt Manolo der Taxifahrer. Er kennt sich aus, für ihn ist die Sierra wie ein alter Freund, der einfach da ist. „Die Venta de Rasquilla hat die beste Küche der Region“, verweist Manolo ortskundig und zeigt auf ein Haus am Wegesrand. Bis auf 1600 Meter Höhe steigt die Straße hinauf zum Parador Nacional de Gredos. Rund 60 Kilometer westlich von Avila liegt das älteste Staatshotel Spaniens, eröffnet im Jahr 1928. Meist sind es ehemalige Schlösser, Burgen oder Paläste, gelegen in einer besonders reizvollen Landschaft – inzwischen gibt es mehr als 90 Paradores landesweit. Der mächtige Granitsteinbau im kastilischen Stil ist von Kiefern und Pinien umgeben und gewährt von seiner großzügigen Terrasse einen weiten Blick auf die umliegende Sierra.
Nach einer Nacht in ungewöhnlicher Stille ohne jede zivilisatorische Begleitmusik ist der Wanderer nach einem opulenten Frühstück gerüstet für die erste Bergetappe. Ziel ist der Aussichtsgipfel Torozo auf 2021 Meter Höhe. Die ersten warmen Sonnenstrahlen kitzeln die noch trägen Muskeln, die Luft ist kühl und erfrischend, am Straßenrand ist das gelbe Farbenmeer des blühenden Ginsters ein steter Begleiter.
Vom Puerto de Serranillos aus beginnen die 450 Höhenmeter des Aufstiegs. Steil fällt das massive Granitgestein der Sierra gen Süden ab. „Ein beliebter Spielplatz für Kletterfans aus Madrid“, erklärt Bernd Rost der Bergführer. Doch jetzt im Frühling verliert sich kaum jemand hierher. Nach gut zwei Stunden Fußmarsch belohnt die einzigartige Aussicht auf die umliegenden Gipfel des Scheidegebirges, besonders auf den schneebedeckten Gipfel des Almanzor auf 2592 Metern gelegen. Zurück führt der Weg hinab zum Puerto del Pico und weiter auf der gut erhaltenen Römerstraße nach Cuevas del Valle. In einer kleinen Bar hinter der Kirche erfrischt ein kühles Bier und lässt den Bergfreund von den Eindrücken des Tages schwärmen.
Am Abend knurrt der Magen bereits um sieben, doch vor neun regt sich auch in Kastiliens Küchen wenig – diesmal macht der Chef eine Ausnahme. Erste Leckereien gibt es für die deutschen Gäste bereits um acht. Die Venta ist schlicht und karg wie die Landschaft. Nach dem Verzehr von jamón iberico und einer reichhaltigen Palette von Käsesorten aus Ziegen-, Schafs- und Kuhmilch steigt die Vorfreude auf den kommenden Gaumenschmaus. „Beim traditionellen Schweineschlachten wird das iberische Schwein mit Eicheln und Kastanien gefüttert“, erklärt der Spanienliebhaber Rost. Es bilde die Grundlage für die typisch regionalen Produkte – etwa Blutwurst aus Burgos, Paprikawurst aus Segovia und nicht zu vergessen die Wildbret-Spezialitäten, schwärmt Rost. Er fühlt sich mittlerweile heimisch in dieser Region, spricht fließend castellano und mag die Art der Menschen. „Am Anfang etwas schroff, aber dann hast Du Freunde fürs Leben“, skizziert Rost.
Das nächstes Ziel ist der Morezón auf 2389 Metern gelegen. Ihm eilt der Titel des schönsten Aussichtsgipfels der Sierra voraus. Der Weg führt zunächst über sanfte grünbedeckte Hügellandschaft mit glasklaren Bächen und kleinen seeähnlichen Tümpeln, Kühe grasen gemächlich und ein sanfter Windhauch umspielt die Nasen der Bergwanderer. Mit jedem Schritt taucht man tiefer ein in die Natur, hört nur noch das Kreischen von Steinadlern und Gänsegeiern, fühlt sich weit entrückt vom Alltag. Über den Puerto de Candelada auf 2009 Metern gelangt man zum verfallenen Refugio El Rey, einer alten Berghütte des Königs Alfonso XIII. Die Brotzeit mit einmaliger Aussicht über die südliche Hochebene beschert überraschende Besucher. Erst zaghaft dann immer mutiger pirschen sich Steinböcke heran und verspeisen Teile der belegten Sandwichs – am Ende fressen sie aus der Hand.
Hinauf zum Gipfel verläuft der Weg steil und ist mit reichlich Felsgeröll übersät. Umso faszinierender wirkt der einmalige Rundblick vom Morezón auf den Circo de Gredos mit dem thronenden König Almanzor und der unten liegenden grünen Laguna Grande. Umgeben von Granitgestein und den Horizont fest im Blick verlässt man schweren Herzens die erhabene Gipfelromantik.
Am letzten Tag lockt der Aufstieg zu La Mira auf 2341 Metern Höhe. Über verschiedene Vegetationsstufen führt der Weg bei gleichmäßiger Steigung durch die Zyklopenschlucht Los Galayos. Sprudelnde Sturzbäche begleiten den Wanderer. Anders als bei den Etappen zuvor ist von Beginn an der Gipfel im Visier. Im oberen Teil der Schlucht schlängelt sich der Pfad immer steiler empor. Endlich rückt das Felshaus mit seinen grünen Fenstern näher – die letzte Rast direkt unter dem höchsten Galayos-Turm. Eine Brotzeit und der stolze Blick auf die zurückgelegte Wegstrecke präpariert für die kommenden Felsstufen – sie führen zur höchsten Scharte hinauf. Oben angekommen ist die Sicht über die gesamte Kette der Sierra so ergreifend, dass Worte einem nicht mehr in den Sinn kommen.
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Bergreisen mit DAV Summit Club
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Beste Reisezeit April bis Juli, September und Oktober
Ein Wasserschloss zu neuem Leben erweckt
Einst in der Blütezeit der deutschen Renaissance entstanden wurde in zehnjähriger Arbeit das Mellenthiner Wasserschloss auf Usedom wieder zum Leben erweckt. Damit nicht genug: Ein Brauereigasthof mit eigens gebrautem Gerstensaft gehört zum Schloss dazu.
Es war sein Lebenstraum. Er hat ihn sich erfüllt – Jan Fidoras eigener Brauereigasthof. Der war zugleich Ansporn genug für den gebürtigen Westfalen, vor gut 13 Jahren sein Konzept für den Umbau des Wasserschlosses Mellenthin auf Usedom einzureichen. Seine Ideen zur Sanierung und weiteren Nutzung überzeugte die Usedomer Gemeindeverwaltung – Fidora erhielt im Bieterstreit gegen 32 Mitbewerber im Jahr 2001 den Zuschlag. So entstand nach und nach aus der ehemaligen Kindertagesstätte, dem Ex-Gemeindebüro, dem alten Getreidelager oder dem früheren Quartier der Kriegsmarine das gastliche Anwesen im Naturschutzpark umgeben von jahrhundertealten Bäumen. Weiterlesen
Ostseeförde Schlei: Immer fort entlang am Fjord
Gelbe Rapsfelder, bunte Blumenmeere und sattgrüne Weiden – die Schleilandschaft zwischen Schleswig und Ostsee ist im Frühling ganz besonders schön anzusehen.
Fünfzehn Minuten vor jeder vollen Stunde steht der Verkehr in Lindaunis still. Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und selbst die Bahn muss warten. Denn dann hebt die Klappbrücke ihr Stahlgerüst und lässt Kutter wie Segelschiffe passieren. Seit 1927 im Einsatz, überbrückt sie hier die Schlei, den flussartigen Schmelzwasserarm, der sich durch eine leicht hügelige Landschaft zwischen Schleswig und der Ostsee schlängelt. Weiterlesen
Wiegenden Schrittes durch die Altstadt
Kurz vor Ostern präsentiert sich der Stiefelabsatz in besonderer Feststimmung. Prozessionen prägen das Bild in den Städten und Dörfern – bis zu 14 Stunden und mehr dauern die Bußmärsche durch die engen Gassen des Centro Storico. Und die Menschen, ob jung oder alt, verfolgen aufmerksam und andächtig jeden Schritt. Weiterlesen
Malmö: Pippi wohnt jetzt im Hochhaus
Sie hat den Imagewandel erfolgreich bewältigt, von der Arbeiterstadt zur modernen Wirtschaftsmetropole. Schwedens drittgrößte Stadt ist jung, voller Überraschungen und höchst kreativ. Ein Wochenende in Malmö reicht aus um verzaubert zu werden.
Als würfe jemand mit der Rückhand eine Frisbeescheibe. Dieses Bild einer gedrehten Wirbelsäule beim Wurf lieferte dem spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava die geistige Vorlage für ein Bauwerk, das zum Symbol des neuen Malmö geworden ist – des Turning Torso. 190 Meter ragt das Hochhaus in den Himmel und hat sein Fundament dort, wo einst mehr als 6000 Arbeiter in den Werften Schiffe bauten – in Västra Hamnen, im westlichen Hafen. Weiterlesen
Foto der Woche: Gräber in den Midlands, Irland
Mexiko: Hund ohne Fell – der Xoloitzcuintle
Krakau: Museen der besonderen Art und jede Menge Musik
Für viele ist sie immer noch die Stadt Johannes Paul II, für andere ist sie die heimliche Hauptstadt Polens. Doch für jeden spürbar wird Krakau als Metropole mit einzigartigen Museen und Musik, wohin man auch geht.
Weinberg, Kohan, Babelstein oder Nowak heißen die Läden. Sie liegen in der ulica Szeroka, im Herzen des jüdischen Viertels Krakaus, dem Kazimierz. Klezmer Musik dringt aus dem Restaurant an der Ecke. Eine junge Frau mit Blume im Haar heftet Zettel an Tür und Fenster des Lokals. „Jüdische Musik live ab 19 Uhr“ verkündet sein Inhalt. Die Dunkelhaarige lächelt herüber und lädt ein zu einem Blick ins Innere. Weiterlesen
Madrid: Viel Trubel in der Kapitale
Wer für ein Wochenende in die spanische Hauptstadt reist, ist gut versorgt mit Kunst und Kultur und der Gabe der Madrilenen die Nacht zum Tag zu machen.
Dutzende von Kleingruppen drängen sich durch die Gassen rund um die Plaza Santa Ana, aufgeregt redend, hemmungslos lachend, wild gestikulierend. PKWs und Taxis bewegen sich im Schneckentempo, vor den Bars und Diskotheken bilden sich lange Schlangen. Es ist drei Uhr morgens in der Nacht von Freitag auf Samstag. „Das ist ganz normal“, sagt Manuel Martínez, „viele finden erst gegen zehn oder später nach Hause.“ Der gebürtige Andalusier aus Granada lebt seit den 70er Jahren in der Hauptstadt und ist irgendwann aus dem Zentrum hinaus an den Stadtrand gezogen auf der Suche nach mehr Ruhe, wie er lächelnd zugibt. Weiterlesen
Foto der Woche: Drei Frauen mit Buddha, Myanmar
Mexiko (11): Warum reisen bildet und Mérida beeindruckend ist
Am Anfang der Reise standen Diego Riveras Fresken im Nationalpalast von Mexiko Stadt. Sie gaben einen Einblick in die Geschichte des Landes und informierten über die Bedeutung der Indigenas, der Azteken, der Mayas,, der Zapoteken etc. Nach mehr als 3000 Kilometern Busfahrt durch mehrere der 32 Bundesstaaten und dem Besuch vieler Tempel und Pyramiden kann ich sagen: Jetzt verstehe ich die Wandgemälde besser und weiß, warum die Mayas sich so sehr mit dem Universum beschäftigt haben. Weiterlesen
Mexiko (10): So leben die Mayas heute
Die Nachbarn von Rosa del Carmen haben schon eins. Genau an der Stelle wo früher ihre Mayahütte stand, haben sie jetzt ihr Haus aus Stein gebaut. Und sich damit einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Rosa wohnt derweil weiterhin mit ihrer Schwägerin Regina Amelia, ihrem Mann und ihren Kindern in der klassischen Mayahütte in dem 300-Seelen-Dorf Chunyaxnia, zwischen Mérida und Campeche gelegen. Eine Urwaldregion, durch die wie eine Schneise die Straße führt – kaum ein Dorf, viele Maisfelder und vor allem hügelig ist es. Daher der Name der Region – Hopelchén – weil die Straße wie über Wellen hoppelt. Weiterlesen
Mexiko (9): Viva el escarabajo – lang lebe der Käfer!
Ja es gibt ihn noch, den guten alten VW-Käfer – für viele Kultfahrzeug der 1960er, 1970er und 1980er Jahre. Nicht dass er das Straßenbild Mexikos bestimmt, nein, aber er taucht zuverlässig auf. Mal knattert und röhrt er reichlich demoliert über das Kopfsteinpflaster, mal gleitet er mit tadellosem Lack leicht frisiert über die Avenida, mal ächzt er mit fünf Personen reichlich überladen über die Uferstraße und verbreitet seinen unnachahmliches luftgekühltes Motorengeräusch. Wo er auch erscheint, da verbreitet er den Hauch des unperfekten, sympathischen Autos als zuverlässigen Wegbegleiter. Weiterlesen
Mexiko (8): Warum auf Yucatán alles besser ist
Wer Palenque, die alte Maya Stadt mit ihrem Palast, Totengrab und den verschiedenen Tempeln, vorzugsweise in den frühen Morgenstunden, wenn sich der Nebel langsam lichtet, gesehen hat, wird diesen Eindruck kaum wieder vergessen. Und man hat zugleich einen eindruckvollen Vorgeschmack auf alle weiteren freigelegten Mayastätten bekommen, die auf der Reise durch Yucatán noch folgen werden. Wenn man sich dann noch klar macht, das die freigelegte Anlage in Palenque lediglich zehn bis 15 Prozent der gesamten Bauten darstellt, die insgesamt die Stadt umfassen, dann weiß man, was die Undurchdringbarkeit des Urwaldes eigentlich bedeutet. Palenque ist eine Stadt, die erst 1952 durch den Archäologen Alberto Ruz Lhuillier vollständig entdeckt wurde. Er fand unter dem „Tempel der Inschriften“ die Grabkammer des Herrschers Pacal.
Am besten ist es, sich von den über das Areal pilgernden Gruppen zu distanzieren und auf die Stufen eine Tempels zu setzen, und sich selbst vorzustellen, wie das Leben sich in der Blütezeit zwischen 600 und 800 nach Chr. hier abgespielt haben mag. Wohlgemerkt, bei all den gigantischen Anlagen handelt es sich immer um die Bauten der herrschenden Dynastie, administrative, religiöse, justiziable Bauten, die die Macht der herrschenden Pacal-Dynastie widerspiegeln. Die Bevölkerung lebte in den einfachen Mayahütten, die meist mit Stroh bedeckt und nicht aus Stein gebaut sind.
Was in jedem Fall beim langsamen Durchdringen der besichtigten Anlage hängen bleibt, ist die Einsicht, dass es sich dbei um hohe Bau- und Ingenieurkunst gehandelt hat. Auch die vielen leider immer mehr verwitternden Fresken an den Säulen und Wänden machen klar, dass den Maya Erkenntnis und Wissen um die Welt und deren Zusammenhänge sehr wichtig waren.
So wundert es nicht, dass die Halbinsel Yucatán heute als eine Art Vorzeigeregion angepriesen wird. Hier ist die Kriminalitätsrate landesweit am niedrigsten, die Korruption am wenigsten verbreitet, hier werden Straßen gebaut, wo anderswo Jahrzente ins Land gehen. Und hier wird das kulturelle Erbe mit wachem Bewusstsein gepflegt. Auch weil sich ein Großteil der Mayamentalität in dieser Region Mexikos bis in höhere Entscheidungsebenen von Regierung und Verwaltung durchgesezt hat und zum maßgeblichen Grundwsatz des Handels geworden sind.
Unser Bus fährt bis nach Campeche, der Hauptsadt des gleichnamigen Bundesstaates. Eine bunte farbenfreudige Stadt mit bewegter kolonialer Vergangenheit und zugleich eine wichtige Hafenmetropole.
Einst spielte sich das Leben zwischen der Puerta de Tierra, der dem Land zugewandten Seite der Stadt und der Puerta del Mar, der Seeseite ab, vier baluartes, Wachtürme sicherten die Stadt nach allen Himmelsrichtungen gegen Piraten ab. Heute ist die 180.000 Einwohner zählende Stadt weit über diese Grenzen hinaus gewachsen, doch das eigentlich pulsierende Leben spielt sich weiterhin rund um den Zocalo und den daran angrenzeneden Straßen ab. Schicke landestypische Restaurants, die trotzdem preiswert sind, sowie stilvolle Läden mit Kunsthandwerk und Schmuck bieten für jeden Geschmack etwas.
Fitness wird bei den Yucatecos groß geschrieben
Der Malecón, die Uferstraße, führt am Golf von Mexiko entlang, was man vergeblich sucht, sind Cafes und Restaurants, die erst weit außerhalb des centro historico in überschaubarer Anzahl auftauchen. So ist es wohl eher eine europäische Vorstellung, dass das Leben sich unbedingt am Wasser und Strand abspielen sollte, wenn ein solches vorhanden ist. Hier dient der Malecón als Fitnessstrecke. Jung und alt, Mütter wie Väter, Anwalt wie Arbeiter nutzen vor allem die Zeit vor dem Sonneuntergang um zu joggen, Zumba zu tanzen oder Gymnastik zu machen.
Die Sportbegeisterung und körperliche Fitness scheint bei den Yucatecos hoch angesehen zu sein. Dazu passt, dass Alkohol und Zigaretten kaum im städtischen Leben eine Rolle spielen. Wirkt der Geist der Mayas tatsächlich nach? Vielleicht, denn auch die Jugend scheint erpicht auf Leistung und kreatives Tun. Eine Band hat sich auf einem Rondell am Malecón formiert, die gut 25 jungen Leute trommeln und blasen mit Verve und Leidenschaft ihre jeweiligen Instrumente. Etwas weiter Richtung Zocalo tanzt eine Gruppe kostümierter Tänzerinnen und Tänzer Salso und Son vor der Fassade einer Kirche. Und aus der nächsten Gasse ist Gesang zu hören.
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Zweiwöchige Mexiko Rundreise mit SKR Reisen
Mexiko (7): Chiapas – einsame Bergwelt, Ex-Rebellengebiet und eine charmante Hauptstadt
In Richtung Golf von Mexiko führt die Route über die mächtige Sierra Madre de Chiapas in den gleichnamigen Bundesstaat, der bekannt ist für seine Rebellen, die sich auf den einstigen Befreier Zapatos berufen. Es ist zugleich das Gebiet der Maya, wie überall auf der Halbinsel Yucatan. Weiterlesen
Mexiko (5): Wie aus Kräutern und Insekten Wandteppiche entstehen
Ein Selbstbildnis von Frida Kahlo mit vier Papageien. Das bedeutet vor allem viele verschiedene Farben und ein genaues Verständnis dafür, wie das Bild auf dem künftigen Wandteppich angelegt werden soll. Hohe Webkunst beherrscht man im Casa Ollin in dem indianischen Dorf Teotitlán del Valle, nahe Oaxaca seit Generationen.
Viridiana und Jesús haben die Webwerkstatt von den Eltern und Großeltern übernommen. Die anspruchsvolle Arbeit an Frida Kahlo wird gut vier Monate in Anspruch nehmen, gut fünf Stunden täglich, um die 40 Fäden müssen permanent verwebt werden. „Eine Auftragsarbeit“, sagt Jesús, die er für ein Ehepaar aus Dänemark anfertigt. Mittlerweile gibt es viele solcher Aufträge, auch aus Deutschland. Eine TV-Reportage, ein Zeitungsbericht – schnell war der Radius ins internationale Geschäft erweitert.
Doch was das besondere der Webkunst im Casa Ollin ausmacht sind die Rohstoffe, aus denen die Stücke hergestellt werden. Merinowolle von einheimischen Schafen aus der nahen Sierra bildet die Basis. Aufwändig gebürstet wird die rohe Wolle damit sie fein und weich ist, alles in mühsamer Handarbeit.
Baumwurzel sorgt für die Farbfixierung
Und die Farben entstehen aus Kräutern, Nussschalen, Baumrinden und aus der Cochinilla, einem Insekt der Region. Zerreibt man das kleine Insekt so ergibt sich daraus eine rosarote Farbe, die Blüten eines Herbstgewächses liefern die gelbe Farbe und die Schalen von Walnüssen den braunen Farbton.
Das Extrakt einer Baumwurzel sorgt für die Fixierung der Farben und für ihren nachhaltigen Schutz. Somit kommt die Webwerkstatt ohne jeglichen chemischen Zusatz aus.
Auch die verwendeten Motive spiegeln den kulturellen Raum der hiesigen indianischen Bevölkerungsmehrheit wider. So etwa der Arbol de la vida, der Lebensbaum, der die Zusammengehörigkeit der Familie symbolisiert.
Ob Romina, die zweijährige Tochter, das Geschäft der Eltern weiter fortführen wird, ist anzunehmen. Schon jetzt flitzt sie durch den Verkaufsraum und hüpft auf die Teppiche, als wäre sie mit ihnen verwoben.
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Mexiko (4): Oaxaca – Liebe auf den ersten Blick
Meistens erlebt man eine neue Stadt viel intensiver, wenn man sich auf den Zócalo, den Hauptplatz, setzt und dem Treiben der Menschen zuschaut. Wie der Schuhputzer zum dritten mal seine eigenen Schuhe poliert und irgendwann etwas frustriert seine Sachen packt und den Platz verlässt. Wie die junge Frau ihrem kleinen Sohn das Laufen beibringt und ihn mit Geduld und Hingabe immer wieder aufs Neue ermuntert. Wie die alte Frau mit ihren Stoffen und Decken unter der Palme sitzt und plötzlich von zwei jungen Mädchen einen Blumenstrauß geschenkt bekommt und ihr Lächeln so ergreifend ist, weil es wie ein Auftauen nach einer langen Frostperiode erscheint.
Wie die vielen Verkäufer nicht müde werden ihre Ware feilzubieten – Süßigkeiten, Maisfladen, Kochlöffel, kleine Yoyo-Spiele und jede Menge Krimskrams. Wie die Musiker vor den Arkaden ihr ganzes Repertoire abrufen, um die Leute in den Cafes zu begeistern.
Und wie die Organisation der Armen Mexikos vor dem Rathaus mit Plakaten und Transparenten von der Regionalregierung fundamentale Rechte einfordert, wie Elektrifizierung, Wasserversorgung und bezahlbaren Wohnraum.
Natürlich sind auch ein Besuch der Kathedrale und ein Rundgang durch diese Weltkulturerbe-Stadt mit ihren vielen kolonialen Gassen und Straßen eine Wonne. Wer einmal hier ist möchte länger bleiben.
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Mexiko (3): Wie ein Restaurant im Kakteenwald via Facebook weltweite Gäste gewinnt
Antonio Díaz C. hat 16 Jahre lang als Koch in einem New Yorker Restaurant gearbeitet. Seit vier Jahren ist er zurück in seinem Heimatdorf in Zapotitlán Salinas, im Bundesstaat Puebla. Und er betreibt sein eigenes Lokal namens Itandehui. Nicht irgendein Restaurant, nein, es ist spezialisiert auf traditionelle Gerichte. Diese haben ihren Ursprung in einer Landschaft, die vor allem aus Kakteen besteht. Wie ein Meer aus großen Streichhölzern bedecken sie die Berge und Täler des Nationalparks nahe Zapotitlán, in dem ein eigener botanischer Garten über die einzigartige Flora und Fauna der Region informiert.
Mexiko (2): Von Göttern und Schutzheiligen
War der gestrige erste Eindruck von Mexiko Stadt noch geprägt von der makellosen Sauberkeit und der straffen Regulierung, und Kontrolle, wird bei der Fahrt Richtung Norden das andere Gesicht der Stadt deutlich. Ein endloses Meer an Favelas breitet sich entlang der Hügel und Bergrücken aus. Jeden Tag kommen etliche Menschen insbesondere aus den südlichen Regionen wie Chiapas in die Hauptstadt um hier irgendeine Form der Arbeit zu finden. Als Analphabeten und ohne Ausbildung ist dies meist schier unmöglich. Weiterlesen
Mexiko Stadt: Von schiefen Seitenschiffen, Kaugummi als Rohstoff und ungeahnter Kolonialidylle
Sonntagmorgen ist ein guter Zeitpunkt um den Palacio Nacional zu besuchen. Keine Staatsgäste, keine roten Teppiche, nur der Bürger hat Zutritt. Und der ist überwältigt von den monumentalen Fresken, die Diego Rivera – neben Frida Kahlo der wohl bekannteste und bedeutendste Maler Mexikos – im Aufgang und den Rundgangen des großen Patios geschaffen hat. Die Geschichte Mexikos wird in all ihren Epochen und Einzelheiten höchst kritisch dokumentiert. Weiterlesen
Namibia: Wenn der Pool zum Verhängnis wird
Ein wunderschöner heißer Tag in der Namib-Wüste neigt sich dem Ende entgegen. Ein Tag mit vielen Kilometern im Jeep über sandige Pisten. Ein Tag, der nach einer Erfrischung verlangt. Was kann es da verlockenderes geben als ein einladender Pool im Garten der Lodge. Und komplett leer ist das Becken auch noch, ganz für mich allein. Schnell das verschwitzte Hemd abgestreift, die sandigen Shorts ausgezogen und mit der flotten Badehose zum Sturmlauf ins kühle Nass angetreten. Ein befreiender Kopfsprung und schon tauche ich ins Wasser ein – und erstarre. Denn das kühle Nass entpuppt sich als eiskalte Überraschung. So eiskalt, dass mein Herz wie wild rast, meine Atmung japst und mein Organismus beinahe still steht. Schnell raus und heiß duschen. Gedacht, getan und doch ist es passiert. Weiterlesen
Seebrücke Sellin: „Mich juckt die Linse“
Wenn heute Eis und Schnee die Ostseeküste im Griff haben, droht kaum Gefahr für die berühmte Seebrücke von Sellin. Doch das war vor 90 Jahren ganz anders. Damals bedrohte Packeis die Brücke. Der Rüganer Fotograf Hans Knospe dokumentierte den Einsturz, sein Enkel erinnert sich. Weiterlesen
Fuerteventura: Einsam, endlos, einmalig – die schönsten Strände
Fuerteventura gilt als die Kanaren-Insel mit den schönsten Stränden. Im Norden lang gestreckte Dünen mit hellem, feinen Sand und der Süden mit seinen endlos scheinenden, einsamen Stränden und den verschwiegenen Buchten – für jeden Geschmack ist etwas dabei.
Schon von weitem ist das Tosen und Rauschen der Wellen zu hören. Je näher, umso beeindruckender ist die Kraft der Atlantikwellen mit ihrer weißen Gischt. Selbst Weitgereiste geraten ins Staunen. Die unermessliche Weite und die gigantischen Brecher machen die 15 Kilometer lange Playa de Cofete zu einem der„wildesten Strände des gesamten kanarischen Archipels“, sagt Andreas Caliman.
Braungebrannt, die blonden Haare schulterlang lässt sich seine Leidenschaft fürs Windsurfen leicht erahnen. Der gebürtige Schwabe kennt die Strände der Insel wie kaum ein zweiter. Allein die über 55 Kilometer einsame Westküste ist ihm bestens vertraut. Eine Woche braucht er zu Fuß für die Strecke, auf der man den Kontakt zur Zivilisation verlieren kann. „Stressgeplagte Manager interessieren sich für die Tour“, sagt Caliman grinsend, „endlich mal ohne Handy, nur Wind und Rauschen – Tag und Nacht.“ Er kennt jedes Tal, jeden Berg, jeden Weg. Der Deutsche, der vor 18 Jahren als Tennislehrer auf die Kanaren kam, liebt diese Insel und wird von den Einheimischen als fachkundiger Führer geschätzt. Sich am Playa de Cofete in den ausrollenden Wogen zu erfrischen empfiehlt Caliman, doch vom Schwimmen rät er unbedingt ab. „Die Strömungen sind unberechenbar“, warnt der Inselscout. Zu einem unvergesslichen Erlebnis wird dagegen ein Strandspaziergang durch den feinen Atlantik-Sand.
Ebenso unvergesslich ist es, wer sich Cofete über die Berge nähert. Der gut angelegte alte Pilgerweg, auf dem die Majoreros, die Einheimischen Fuerteventuras, alljährlich am 24.Juni zur Fiesta de San Juan, dem Schutzpatron Cofetes pilgern, führt vorbei an Ziegen, Hühnern und Stallungen. Ganze Kolonien der Jandía-Wolfsmilch, cardón de Jandía – das botanische Aushängeschild Fuerteventuras, begleiten den Wanderer hinauf zur Passhöhe. „Bis zum heutigen Tag hat sich in den Bergen von Jandía ein letzter Rest der ursprünglichen Vegetation erhalten“, erklärt Naturfreund Caliman und zeigt nochmals auf die wie ein Kaktus aussehende Wolfsmilch. Nach rund 1,5 Stunden ist die Passhöhe Degollada de Cofete erreicht.
Belohnt wird der Wanderer mit einem traumhaften Panorama auf die Weite Cofetes. Nach einer weiteren Stunde Fußmarsch über die stark erodierte Bergflanke der Orejas de Asno gelangt man zum kleinen Ort Cofete – nichts als ein paar Bretterbuden, die heute nur noch während der Wochenenden oder in den Ferien bezogen werden. „Einst war der 1816 gegründete Ort das wichtigste landwirtschaftliche Zentrum im Süden Fuerteventuras“, berichtet Caliman. Noch heute erinnern erodierte Terrassen und Ruinen von Kalköfen an die große Vergangenheit des Ortes.
Ajuy – starke Brandung und etwas Geschichte
Mit dem Auto gelangt man bis hinunter ans Meer. Auch hier brechen sich laut tosend die Atlantikwellen gegen die steilen Klippen der Westküste. Die Gischt spritzt meterhoch. Der tiefschwarze feine Sand und das blaue Wasser bilden einen verlockenden Kontrast. Bunt bemalte Fischerboote, leuchtend weiße, verschachtelte Fischerhäuser und der Fernblick aufs Gebirge: Ajuy ist ein Idyll und kann verzaubern. Aber es ist auch hier eher der Anblick, der fasziniert, Baden im Meer sollte man wegen der starken Brandung vermeiden. Doch eine Rast im Standcafe des Ortes mit seinen landestypischen Speisen versüßt den Aufenthalt allemal.
Und ein wenig kann man sich dann vorstellen, wie hier im Jahre 1402 Gadifer de la Salle und Jean den Béthencourt am Lavastrand die Insel betreten haben sollen. Die Eroberer seien den Palmenfluss hinauf marschiert, erzählt Caliman und besiegten Guize und Ayoze, die beiden Könige von Fuerteventura. Danach gründeten sie die Hauptstadt Betancuria mit Puerto de la Peña, dem heutigen Ajuy als Hafen, soweit die geschichtliche Überlieferung. Und wer nach guten Fotomotiven sucht, der klettert rechts vom Strand auf eine Klippe und genießt die Aussicht auf Ajuy und seinen Strand.
Cotillo – touristisches Neuland
Über mehrere Kilometer prägen die weißen Sandstrände und kleinen Buchten südlich des Ortes Cotillo im Norden der Insel das Gesicht der Küste. „Touristisch noch wenig erschlossen“, schwärmt der Strandliebhaber Caliman. Besonders am Abend, wenn die Sonne ins Meer versinkt, entfaltet Cotillo seine ganze Pracht. Die überall verteilten Lavafelsen und Steine wirken bizarr und pittoresk im rötlichen Abendlicht, das Wolkenspiel spiegelt sich im nassen Sand der rückläufigen Brandung. Caliman attestiert Cotillo zudem ausgezeichnete Badequalität. „Die vorgelagerten Felsen schwächen die Brandung ab, so dass keine Gefahr besteht.“ Und Kinder lieben das Gebiet, weil der Strand flach ins Meer abfällt. Auch Anhänger der Freien Körper Kultur kommen hier auf ihre Kosten, eine Strandbar sorgt zudem für das leibliche Wohl.
Dünen von Corralejo
Südlich des Ortes Corralejo erstreckt sich das riesige Dünengebiet des Nationalparks Parque Natural de las Dunas de Corralejo auf rund elf Kilometer Länge. Wer sich mit Nordic-Walking-Stöcken auf den Weg macht und durch den hellen, feinen Sand stapft, die Höhen und Senken der Dünen nimmt und sich einen ruhigen Platz für die Rast aussucht, der wird mit einem traumhaften Blick auf die vorgelagerten Inseln Los Lobos und Lanzarote belohnt. Auch für Kinder ist der Strand bestens geeignet. Urlauber, die gern die Sonne gänzlich unbekleidet auf ihrer Haut spüren wollen, haben hier alle Möglichkeiten. „In den kleinen Steinburgen findet man ohne weiteres zu zweit Platz, um sich vor dem Wind zu schützen“, gibt Caliman noch einen nützlichen Tipp mit auf den Weg. Wind- und Kitesurfer üben auf einem abgegrenzten Bereich.
La Pared – Gefühl vom Ende der Welt
Steil fällt die Küste zum Meer hinab.Von hier oben schweift der Blick über den knapp einen Kilometer langen feinsandigen Strand in Richtung Gebirgskette der Halbinsel Jandía. Über Stufen gelangt man hinunter in die Bucht von La Pared an der Westküste der Kanareninsel. „Ein idealer Platz zum entspannen“, bringt Caliman die besondere Qualität dieses Ortes auf den Punkt. Einsam und verlassen strahlt dieser Küstenabschnitt geradezu eine „meditative Kraft“ aus. „Man fühlt sich wie am Ende der Welt“, beschreibt Caliman treffend. Mit Sonnenbaden und dem steten Meeresrauschen im Ohr verliert der Besucher hier jedes Zeitgefühl. Ab und an erfrischt ein Spaziergang durch die Ausläufer der Brandung Körper und Geist. Wegen der gefährlichen Unterströmung ist vom Baden allerdings abzuraten.
Sotavento Paradies für Surf- und Kiteboarder
An der südlichen Ostküste der Insel verwöhnt der Playa de Sotavento auf fünf Kilometer Länge die Herzen der Windsurfer und Kiteboarder – Anfänger wie Profis. Eine Brise weht daher stets über diesen Strand. International berühmt ist der Playa durch die jährlich hier stattfindenden Windsurfing- und Kiteboarding-Weltmeisterschaften. Wer eine windgeschützes Plätzchen sucht, findet in den kleinen bewachsenen Dünen jede Menge Auswahl. FKK-Freunde flanieren gern über die beiden Strandabschnitte Playa Risco del Paso und Playa Barca und bewundern die Kunst der Surfer und Kiteboarder. Kinder fühlen sich überdies pudelwohl, denn der Strand fällt auch hier sehr flach ins Meer ab.
Geheimtipp für beste Erholung
Der Playa Mal Nombre, frei übersetzt „schlechter Name“, glänzt eigentlich mit idealen Eigenschaften. „Wer einfach nur ausspannen und Ruhe genießen will ist hier genau richtig“, sagt Caliman über den immer noch als Geheimtipp gehandelten Strand an der südlichen Ostküste. Wandert man die 21 Kilometer von Costa Calma nach Jandia sieht man überall kleine schwarze Strandburgen, die an den Hang gebaut sind. Gegen den Wind geschützt, finden hier FKK-Anhänger ein ideales Terrain. Die wenigen Strandwanderer sind eine willkommene Unterbrechung der sonst perfekten Abgeschiedenheit.
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Fuertescout
Andreas Caliman
Coronel Gonzalez del Hierro 62C
E -35650 Lajares / Fuerteventura
Telefon 0034 686 088 493
www.fuertescout.com
Fünf Kontinente in zwölf Stunden
Wer Neuseeland mit dem Zug erkundet, begibt sich auf eine nostalgische Reise ohne Laptop und Handy, dafür mit viel Komfort und besonderem Service. Und die atemberaubende Landschaft ist steter Gast im Abteil.
Pünktlich um 7.25 Uhr setzt sich die Lokomotive ruckelnd in Bewegung. Wie jeden Morgen startet der Overlander von Wellington nach Auckland, gut 650 Kilometer in 12 Stunden – through the heart of the country, durch das Herz des Landes, so der Slogan des ausliegenden Werbe-Prospekts. Genauer gesagt durch den Großteil der Nordinsel. Einfach nur Stress? Weit gefehlt, denn hier wird Zugfahren zelebriert – man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt, als die Reise noch das Ziel war. Höchst ausführlich beschreibt der Zugbegleiter den Reiseverlauf, flachst herum, kümmert sich um die Gäste. „Es ist wie vor einer großen Premiere im Theater“, kommentiert eine junge Britin treffend. Die Fenster sind ausladend groß, die Sitze gut gepolstert und mit dieser Beinfreiheit konkurrieren sie mit jedem Konzertsaal.
Als Ouvertüre steht heute ein perfekter Sonnenaufgang auf dem Programm. Hinter den Bergen im Osten steigt der große Feuerwall langsam hinter der Bergkette empor und hüllt die Seenlandschaft um Wellington in rötlich warmes Licht. Glücklich räkeln sich die Fahrgäste und schlürfen genüsslich ihren Coffee to go. Abrupt endet die Romantik und der Overlander taucht für 4,5 Kilometer in einen Tunnel, dem fünftgrößten des Landes, wie Zugbegleiter Steve erklärt. Dann aufatmen, endlich präsentiert die sanfte Hügellandschaft dem Auge wieder feinste optische Leckerbissen. Entlang der Tasman See mit Blick auf die Kapiti Inseln, einem Naturresevat, bahnt sich die Diesellok ihren Weg Richtung Norden. Das frühe Sonnenlicht verwandelt die Landschaft in eine zauberhafte Märchenwelt. Kurz vor Paraparaumu, wo die Strände besonders schön sind, pfeift die Lok und kündigt ihre Ankunft an. Eine Hand voll Touristen besteigen den Zug. Langsam setzt die historische Zuglinie ihren Weg fort, entlang des Tararua Forest Parks – sanfte Hügel, Regenwald, Farndickichte und Wiesen mit weidenden Schafen wechseln einander ab. „Manchmal möchte man sie zählen“, meint die kesse Engländerin. „Nicht nötig“, kommt prompt die Antwort eines Mitreisenden. Landesweit sollen es 450 Millionen Schafe sein, so die letzte Zählung aus dem Jahr 2004, weiß er.
„Soeben überqueren wir den Manawatu River“, tönt es aus dem Lautsprecher. „Der Fluss ist unter den Flüssen Neuseelands einzigartig“, heißt es. Er entspringe auf der Ostseite der die Insel teilenden Gebirgszüge und münde auf der Westseite. Bei der Manawatu Gorge habe er das Gebirge durchbrochen. Eilig huschen einige Passagiere durch zwei weitere Abteilwagen, ihr Ziel ist die viewing platform – der beste Platz für Fotofans. Gar nicht so einfach, denn für das Überqueren der Wagonverbindungen braucht es gutes Stehvermögen und auf der platform selbst ist nur für sechs Personen Platz. Spätestens hier macht sich das Wild-West-Gefühl breit – das Rattern der Gleise ist ohrenbetäubend und in der Kurve sieht man von der Reling wie sich die Lok am Fuß der Berge entlang kämpft. In Palmerston North, nach etwa 100 Kilometern hat die Lok ihren Dienst erfüllt und wird gegen eine andere ausgetauscht, Gelegenheit sich auf dem einsamen Bahnhof die Füße zu vertreten.
Die Welt trifft sich im Zug
Kleine Gruppen von Passagieren stehen zusammen, tauschen Reiseerfahrungen aus, geben einander Tipps und Ratschläge. Wie eine globale Reisebörse wirkt die Szenerie. Eine Schweizerin aus Zürich berichtet vom Glacier Express zwischen Davos und dem Zermatt, Sally aus Philadelphia erzählt begeistert von ihrer Nepal-Tour und Susan aus Südafrika empfiehlt den Desert Express in Namibia. „Aber hier ist es etwas ganz besonderes“, resümiert eine Deutsche mit deutlich bayerischem Akzent. „Irgendwie europäisch und doch so anders“, bringt sie ihre Eindrücke auf den Punkt.
Die Lokomotive pfeift, Schaffner Steve wirft einen letzten Blick aufs Gleis und schon sind ist der Overlander mit frischer Lok wieder umgeben von Wiesen, Schluchten und Bergen. Nach Hunterville überquert der Zug den Rangitikei River gleich vier Mal in sieben Minuten. Immer wieder sind es diese gusseisernen Stahl-Brücken, die sich wie gemalt in die Silhouette einer unberührten Landschaft einfügen. Kurz hinter Okakune ist die platform heiß begehrt. Jetzt passiert die Diesellok eine 79 Meter hohe Schlucht über eine 300 Meter lange Brücke. Aufgeregt werden die Kameras in Position gebracht.
Wenige Minuten später ist die Hälfte der gesamten Strecke geschafft, an der National-Park-Station heißt es Time for Lunch. Mit Blick auf den Tongariro National Park und seinen knapp 3000 Meter hohen Gipfeln wird diese Rast bei Sandwich und French Fries zu einem besonderen Erlebnis. „Da genießt man den Anblick der verschneiten Gipfel und fünf Minuten später sind sie in dicke Wolken gehüllt“, beschreibt eine ältere Frau aus Auckland ihre langjährigen Erfahrungen mit den Wetterkapriolen in dieser Region. Heute ist der Panoramablick tadellos.
Zwischen zwei Tunneln schnell ein Foto schießen
Nach mehr als sechs Stunden Gleisgeräusche fallen den Fahrgästen hier und da die Augen zu, nur kurz, denn schon tut sich wieder die nächste spektakuläre Landschaft auf und die Viewing Platform ruft. Nicht immer hat man das richtige timing – manchmal ist der nächste Tunnel schneller und hat den Overlander wieder verschluckt.
In Taumarunui, das wörtlich übersetzt „großer Schirm“ bedeutet und Schutz vor der Sonne gewähren soll, wie die neue Zugbegleiterin Sarah erklärt, erreicht der Zug das Tor zu Neuseelands größtem Skigebiet am Mount Ruapehu – zugleich Ausgangspunkt für zwei Bahnstrecken mit der Dampflok. Nach Süden hin zum Vulkan Plateau am Mount Ruapehu, nach Westen über 86 Kilometer durch 24 Tunnel und weite Täler bis nach Stratford und New Plymouth. Gerade mal 6500 Einwohner zählt das Städtchen und sieht aus, wie die meisten seiner Größe – eine Straße, ein paar einfache Holzbauten, ein Hotel, eine Bank, Pub und Store. Was braucht es mehr?
Der Waggon Nr.7 des Overlander gleicht inzwischen einem riesigen Wohnzimmer, querbeet verteilt parlieren und kichern die Fahrgäste aus aller Welt, das Bistro versorgt sie großzügig mit warmen Speisen und Getränken, Sarah informiert ausführlich über wichtige Details der Reise. Etwa über Tekuiti, dem alten Goldgräberstädtchen und heutigen Zentrum für Schafsscherer und dass die Lok ab Hamilton entlang des mit 425 Kilometer längsten Flusses Neuseelands, dem Waikato River, Kurs nimmt.
Hinter Hamilton erstreckt sich flaches Weideland soweit das Auge reicht, Schafsfarmen liegen verstreut entlang der Zugstrecke, grasende Schafe erschrecken und preschen auseinander. Bei Papakura, dem letzten Stop, verabschiedet sich die Sonne als treue Begleiterin und hinterlässt einen roten Horizont, kurze Zeit später blinkt die Spitze des Skytower, Aucklands Wahrzeichen und mit 328 Metern das höchste Gebäude der südlichen Hemisphäre – eine unvergessliche Reise mit garantiert neuen Freundschaften aus aller Welt.
Weitere Zug-Highlights
Der TranzAlpine fährt zwischen Christchurch und Greymouth auf der Südinsel vom Pazifik bis zur Tasmansee an der Westküste. Vom Abteil aus sieht man die Felder der Canterbury Plains, gefolgt von den spektakulären Schluchten und Flusstälern des Waimakariri River. Der Zug fährt anschließend aufwärts durch die Southern Alps um danach den üppigen Regenwald zu durchqueren. Der TranzAlpine braucht für die 224 Kilometer Strecke 4,5 Stunden Fahrzeit. Start ist täglich um 8.15 Uhr, Preis 81 NZ Dollar.
www.tranzscenic.co.nz
Der TranzCoastal fährt täglich einmal in jede Richtung zwischen Christchurch und Picton über Kaikoura. Man sieht die Berge von Kaikoura auf der einen Fensterseite und die rauhe Pazifikküste auf der anderen. Der TranzCoastal verfügt über einen Speisewagen und einen Open Air Wagon. Abfahrt in Christchurch um 7 Uhr, Ankunft um 12.13 Uhr, Kosten für Erwachsene ca. 89 NZ Dollar. www.tranzscenic.co.nz
Der Kingston Flyer ist die einzig regelmäßig verkehrende Dampflok, die auf einer restaurierten 14 Kilometer langen Strecke zwischen den Orten Kingston und Fairlight auf der Südinsel pendelt. Ursprünglich fuhr der Kingston Flyer seit 1878 bis in die 50er Jahre zwischen den Städten Kingston und Gore. Zwischen Oktober und April fährt der Zug zwei Mal täglich. www.kingstonflyer.co.nz
Mehr Information
www.newzealand.com
Anreise
Flug mit Air New Zealand ab Frankfurt über London und Los Angeles nach Auckland
Istanbul: Herzschlag für Europa
Die Metropole am Bosporus verbindet die arabische Welt mit dem Abendland. Und ist damit der Europäischen Union ganz nah. Manche fühlen sich schon als Teil davon und tun etwas für die Verständigung.
Sonntags ist auf der Galata-Brücke Hochbetrieb. Im oberen Teil der zweigeschossigen Brücke stehen die Fischer in Reih und Glied. Alle paar Minuten lassen sie ihre Köder hinunter ins Goldene Horn, jenem Seitenarm des Bosporus, der auf zehn Kilometer Länge den europäischen Teil Istanbuls trennt. Während man in der unteren Etage der Brücke im Restaurant seinen Fisch verspeist, kann es passieren, dass vor dem Fenster ein Fisch an der Angelrute zappelt. Nicht weit entfernt am Fähranleger Eminönü vor der Silhouette der gewaltigen Süleyman-Moschee flanieren Alt und Jung, Moslems und Christen, Touristen und Einheimische am Ufer des Goldenen Horns. Die meisten bestellen an den mächtig schwankenden Restaurantschiffen Balik Ekmek – gegrillter Fisch im Brot mit hohem Kultstatus.
Haldun ist jeden Sonntag hier. Der junge Student aus Ankara, der seit einem Jahr an der Universität Istanbul Deutsch studiert, beobachtet das Treiben der Menschen rund um den Fähranleger mit Blick auf den Galata-Turm, einem genuesischen Wachturm, der seit dem Jahr 1348 über das einstige Händlerviertel thront. Hier lernt er am besten Deutsch. „Meist spreche ich Touristen an, die wie Deutsche aussehen“, meint der 19-jährige, „wenn sie wollen, führe ich sie durch die Altstadt.“ Haldun wünscht sich nichts sehnlicher als ein Teil Europas zu sein. In Deutschland war er noch nie, aber sein Lieblingsverein heißt Hansa Rostock. Für ihn ist die deutsche Sprache ein Türöffner. Genauso wie Istanbul noch immer für viele Zuwanderer aus Anatolien Arbeit und Wohlstand verheißt. Heute leben in der weltweit einzigen Stadt auf zwei Erdteilen rund 12,5 Millionen Menschen. Mehr als eine Viertel Millionen von ihnen sind Studenten.
Nicht erst seit Istanbul im Jahr 2010 den Status als Kulturhauptstadt Europas inne hatte, bietet die größte türkische Stadt eine breit gefächerte Szene von jungen Künstlern in Musik, Theater, Oper und Ballett. Hinzu kommt die agile türkische Modebranche, die in der Stadt zuhause ist. Aber auch ihre Chance als Kulturhauptstadt hat die Metropole genutzt: Neue Bauten entstanden, andere wurden restauriert. Selbst ganze Stadtviertel fielen teils unter den Hammer. Ein so genannter Stadterneuerungsplan sollte ganze Viertel umkrempeln. Sehr zum Missfallen der betroffenen Bevölkerung. Bürgerinitiativen entstanden, Architekten liefen Sturm. „Ohne Chance“, weiß Haldun über den Widerstand zu berichten. So sei etwa Sulukule, das alte Vergnügungsviertel und gleichzeitig das älteste Viertel der Stadt überhaupt im März 2008 komplett abgerissen worden. Moderne Wohnhäuser für Wohlhabende werden hier entstehen.
Ein deutsches Pärchen profitiert heute von Halduns Stadtführer-Qualitäten. Er führt seine Gäste vom ganz im Zeichen des Staatsgründers Atatürk stehenden Taksim Platz hinunter zur Galata-Brücke. Unterwegs zückt er immer wieder sein kleines Wörterbuch und wirft überglücklich die nächste Vokabel ein.
Haldun begleitet sein Pärchen über die Shopping-Meile Istiklal Caddesi, jener Prachtstraße im Jugendstilcharakter mit ihrer Mischung aus europäischem und orientalischem Flair, verweilt am 70 Meter hohen Galataturm und streift durch die engen Gassen von Beyoğlu mit ihren kleinen Kunstgewerbe-Läden, Boutiquen und Schmökerstuben.
Am frühen Abend ist um die Brücke der Trubel groß. Musik und Konzerte locken besonders junge Leute aus allen Stadtteilen. „Eine tolle Stimmung“, gibt sich Haldun begeistert und ist zugleich stolz darauf, seinem deutschen Touristenpaar Highlights einer Stadt zu zeigen, in der er selbst schnell heimisch geworden ist.
Übernachtung
The Marmara Istanbul
Taksim Meydani
34437 Istanbul
Tel. +90 212 251 46 96
www.themarmarahotels.com
Preis & Buchung:
Preise ab 140 Euro pro Doppelzimmer und Nacht.
Öger Tours, www.oeger.de
Rügen: Schwimmende Häuser im Hafen
Dass auch Häuser im Hafen ankern, beweisen die schwimmenden Häuser in Lauterbach auf Rügen. Einst ein Pionierprojekt liegt inzwischen schon die zweite Generation der Häuser im Bodden. Im Winter wird ein Aufenthalt zum besonderen Erlebnis.
Eisig weht der Wind aus Nordost. Nur eine schmale Fahrrinne verläuft vom Hafen Lauterbach durch den zugefrorenen Greifswalder Bodden hinüber zur Insel Vilm, dem Sitz der Internationalen Naturschutzakademie. Unweit des Anlegers verlaufen Stege, die zu den um diese Jahreszeit verwaisten Boots-Liegeplätzen führen. An einem dieser Stege liegen zwölf Häuser, auf denen jeweils ein Fähnchen im kräftigen Wind flattert – als wäre es eine Forschungsstation in der Arktis. Doch es sind schwimmende Häuser im Hafen, die im Winter wie geschaffen sind für eine kreative Auszeit. „Manche unserer Gäste quartieren sich gleich für einen Monat ein, schalten das Handy ab und widmen sich einer kreativen Arbeit“, erzählt Mitbegründer Till Jaich mit einem verschmitzten Grinsen.
Wie Peter aus Zürich, den es statt auf die Piste lieber aufs gefrorene Eis zieht. Er genießt es, wenn morgens bereits die Tüte mit den frischen Brötchen an der Eingangstür im Wind baumelt, ein Schwarm Möwen kreischend übers Haus fliegt und vom Ufer her das stete Klimpern der Leinen an den Segelmasten der aufgedockten Boote im Hafen zu hören ist. „Zurückgezogen, aber nicht allein“, bringt es der sympathische Schweizer auf den Punkt. Heute widmet er sich nach Joggen und Frühstück wieder seiner Arbeit am Drehbuch.
Inspiriert von der Gegend war auch Tills Vater Ingo, als der erfahrene Yachthafenbauer kurz nach der Wende die Küste Mecklenburg-Vorpommerns entlang fuhr und irgendwann in Putbus auf Rügen landete. Die fürstliche Residenzstadt mit ihren klassizistischen Bauwerken, die Fürst Wilhelm Malte zu Putbus im Jahr 1810 anlegte, hatte es ihm angetan. Im nahen Vorort Lauterbach fand er das fürstliche Badehaus Goor mit seiner imposanten Säulenfassade. Ein idealer Ort für Ingo Jaichs Pläne: Eine Wassererlebniswelt mit Segel- und Yachthafen und schwimmenden Häusern schwebte ihm vor.
Gesetzeslücke brachte die ersten Häuser ins Wasser
„Weil den Behörden nicht klar war, wie man sie einordnen sollte, galten die Häuser juristisch als Boote“, erinnert sich Till Jaich an die erste Genehmigungsphase im Jahr 1997. Eine entscheidende Lücke in der Gesetzgebung, die den Jaichs damals zugute kam. „Wir sind von Behörde zu Behörde gelaufen“, erzählt der im schleswig-holsteinischen Arnis geborene Till, „nach einem Monat hatten wir die Genehmigung in der Tasche.“ Zwar werde ein Haus auf dem Wasser genauso erschlossen wie ein Haus an Land, betont der heutige Geschäftsführer weiter, aber für manches müsse eben doch eine besondere Lösung her. Frostfreie Wasserleitungen, spezielle Abwasserdruckpumpen und eine eigene Heizzentrale sind nur einige der Hürden, die es zu nehmen gilt. Die Jaichs nahmen sie und 1998 wurde das erste Haus zu Wasser gelassen. Seither trägt die Bucht auch ihren Namen: „Im Jaich“
Bei der zweiten Generation der schwimmenden Häuser lagen die Hürden deutlich höher. „Jetzt sind es auch im juristischen Sinne Häuser“, sagt Jaich. Allein das Raumordnungsverfahren und die Umweltverträglichkeitsprüfung füllten ganze Aktenordner. So sei etwa in einem speziellen Monitoring-Verfahren ein Jahr lang das Verhalten der heimischen Brut- und Rastvögel kartiert worden.
Doch damit nicht genug: Auch die Frage, wie viele Häuser eigentlich noch verkraftbar sind, um Charme und Charakter der Anlage zu erhalten, beschäftigte die Jaichs. Animationen aus allen möglichen Blickwinkeln sollten helfen eine „Balance zwischen der hohen Nachfrage und der Exklusivität“ zu finden. Das Ergebnis gibt den Planern Recht und entschädigt für das fast fünfjährige Genehmigungsverfahren. Auch die neuen Pfahlhaussuiten, die seit 2011 im Hafen liegen, haben schon ihre „Fangemeinde“ gefunden, bestätigt der gebürtige Holsteiner Jaich.
Maritime Welt ist CO2-freie Zone
Mittlerweile sind die schwimmenden Häuser von Rügen über die Landesgrenzen hinaus begehrt. „Wir bauen ein Haus in acht Wochen“, erzählt Till nicht ohne stolz und führt Besucher gern durch die neue Konstruktionshalle direkt am Hafen. Hier wurden die maßgerechten Häuser auf betonummantelten Photons aus Kunststoff errichtet. Bullaugen verleihen ihnen maritimes Flair und große Glasfronten holen die Wasserwelt ins Wohnzimmer. Innen sind die jeweils 49 und 71 Quadratmeter großen Häuser behaglich im Ikea-Stil eingerichtet und vermitteln ein nordisch-skandinavisches Ambiente.
„Insgesamt erwachsener geworden“, sei die zweite Generation der Häuser, resümiert Till Jaich. Etwas geräumiger, dazu besser wärmegedämmt und der Fußboden besteht aus Eiche. Nicht zuletzt sei die maritime Welt „Im Jaich“ seit Frühjahr 2010 CO2-freie Zone. Solarthermie verbunden mit einem Rapsöl befeuerten Blockheizkraftwerk versorgen die Wasserheime, bestätigt der agile Geschäftsführer und spaziert gelassen den 150 Metern langen Steg entlang. Aus der Ferne ist das zerberstende Eis in der Fahrrinne zu hören, eine Entenfamilie watschelt übers Eis – Winter-Idylle am Bodden und in den Häusern regiert das kreative Schaffen.
Mehr Information
Im Jaich
Am Yachthafen 1
18581 Putbus
Tel: 03 83 01 / 8 09-0
www.im-jaich.de
Tourismuszentrale Rügen
Bahnhofstr. 15
18528 Bergen auf Rügen
Tel: 0 38 38 / 80 77-50
www.ruegen.de
Usedom: Auf den Spuren des Naheliegenden
Er ist ein genauer Beobachter seiner Umgebung. Am liebsten sind ihm Motive aus seiner Heimat Ahlbeck auf der Ostseeinsel Usedom. Ein Treffen mit Volker Köpp in seiner Ahlbecker Galerie.
Etwas versteckt liegt das weiße Haus mit den Sprossenfenstern und dem kleinen Vorgarten im alten Siedlungskern der Ahlbecker Fischer: Talstraße 13, Sitz der Galerie Volker Köpp in einer denkmalgeschützten Fischerkate. Hinterm Ladentisch erwartet der Usedomer Maler seine Besucher – weiße Hose, dunkelblaues kurzärmliges Hemd, frisch gekämmt. Er beobachtet, wartet ab, schweigt. Helle Holzdielen zieren den Boden, an den weißen Wänden hängen Radierungen und Ölgemälde, von klein bis groß, Stilleben, Landschaften, Häuser, Porträts. Einige Werke stehen am Sockel. In der Mitte führt eine Wendeltreppe zum Arbeitsraum.
„Ich male ja immer das Naheliegende“, sagt Volker Köpp wie selbstverständlich und langsam zeichnet sich in seinem Gesicht ein freundliches Grinsen ab. „Man kommt einfach nicht drum herum“, fügt er lapidar hinzu. So stammen die meisten seiner Motive aus den drei Seebädern der Insel – Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin. Auch das Hinterland ist vor seinem Pinselstrich nicht sicher. Vieles sei „banal“ meint er, man müsse nur einen Zugang finden und einen bestimmten Blick entwickeln. „Ausprobieren und ausloten“ gehört zu seiner täglichen Arbeit. Wie das Bild mit dem alten Fischerschuppen und den Angelruten davor. Gut 25 Fischer hätten in den Schuppen früher ihre Gerätschaften untergebracht, der Strand war voll davon. Jetzt haben die Schuppen aus den 1920er und 30er Jahren scheinbar keinen Wert mehr. Für Volker Köpp schon, er sucht die „besondere Patina“, das spezifische darin. Er findet es „zu schade“, wenn es verschwindet. „Ich will es festhalten“, betont der freiberufliche Maler, der stets etwas zum Zeichnen dabei hat.
Käufer schätzen ihn für seine Geradlinigkeit
„Man muss gucken und aufgeregt sein“, so seine Devise. Auch wenn ihm das, was er seit der Wende auf Usedom sieht, oft viel zu bunt erscheint. Für ihn ist die Ostseeinsel cremesandig, blaugrau und vor allem klassisch weiß. „Knalliges Gelb mit rosa funktioniert einfach nicht“, zeigt Maler Köpp seine ästhetischen Schmerzgrenzen auf. Ändern und arrangieren ja, aber bei bestimmten Formen und Farben sei Schluss. „Da bin ich einfach nicht mehr aufgeregt.“ Für diese Geradlinigkeit schätzen ihn seine Käufer, die von überall her kommen. Nicht nur aus dem Inland, auch aus der Schweiz oder den USA. Oft sind es Empfehlungen, manche Käufer finden den Weg in die Galerie auch zufällig. Etwa ein Paar mit Tochter, die sich für ein Kinder-Porträt interessierten. „Was lag näher als die leibhaftige Tochter selbst zu malen“, erzählt der 60-jährige.
Ein bisschen wie damals in der DDR. Als Volker Köpp nach seiner Zeit als Requisiteur am Cottbuser Theater und dem folgenden Hochschulstudium für Malerei und Grafik in Dresden mit frischem Diplom in der Tasche wieder zurück in die Heimat kam. Da malte er nachts im örtlichen Restaurant Porträts. Ein Freund spielte dazu auf dem Akkordeon. „So verdienten wir unseren Lebensunterhalt.“, erinnert sich der Ahlbecker. Noch bevor die Mauer fiel, ging der Künstler 1989 über Prag in den Westen. Drei Jahre arbeitete er in einer Werbeagentur in Osnabrück. Dann zog es ihn wieder zurück auf die Insel um seinem Bruder zu helfen, der ein Hotel eröffnete. Die „Möwe“ machte pleite, Volker Köpp fand die Galerie in der Talstraße und blieb.
Wer sich wandelt wächst daran
Und malte Motive, die ihn nicht mehr loslassen. Solche, die lange zurückliegen und die er sich wieder vor Augen führt. So entstanden aus aufbewahrten Skizzen neue Porträts.
Bei seiner Arbeit orientiert sich der eigenwillige Insulaner nicht an berühmten Vorbildern. Beeindruckt von Modigliani oder Gauguin, ja, aber einem Vorbild nachzueifern, ist nicht seine Art. Er glaubt, dass sich der Stil bei der Arbeit verändert, vorausgesetzt man ist bereit sich selbst zu wandeln. Manchmal ist er auch von sich selbst beeindruckt. Etwa wenn er bei einem Käufer zu Besuch ist und eines seiner Bilder in einem großen Raum an passender Stelle hängen sieht. Dann weiß er, dass er seine „Anlagen ausgeschöpft“ hat und es richtig ist, „sich stets zu verbessern“.
Auch in der Galerie in der Talstraße fallen dem Besucher bestimmte Motive sofort ins Auge. Wer ist etwa die ältere Dame mit dem Stock auf dem Stuhl? „Meine Großmutter vor 23 Jahren“, sagt der Künstler und fügt schmunzelnd hinzu: „Ist doch nahe liegend.“
Mehr Information
Tourismusverband Mecklenburg Vorpommern e.V.
Platz der Freundschaft 1
18059 Rostock
Tel.: +49 (0)381 40 30/550 Fax -555
www.auf-nach-mv.de
Galerie Volker Köpp
Talstrasse 13
17419 Seebad Ahlbeck
Tel. +49 (0)3 83 78/3 23 82
www.galerie-koepp.de
Ibiza: Na Xamena – Bizarr wie die Landschaft
Im Nordwesten der Isla Blanca thront an der Felsküste ein Hotel der besonderen Art. Es verzaubern nicht nur die berauschenden Panoramablicke und das luxuriöse Spa. Na Xamena ist ein Stück ibizenkischer Kultur.
Vom Meerwasser umgeben und doch 200 Meter darüber. Oberhalb der Steilküste sprudelt, brodelt, zischt und spritzt es unablässig – das Salzwasser in den cascadas suspendidas, den Wasserfällen des Thermalbades, wo Kopf, Nacken, Hüfte, Schenkel und Füße gründlich von Wasser- und Luftstrahlen massiert werden. Doch das Beste kommt erst: Der Blick auf die mit Pinien bewachsene Küste und das Schauspiel des Sonnenuntergangs an diesem besonderen Ort im Nordwesten Ibizas.
„Der Besucher soll sich ganz im Einklang mit der äußeren Umgebung fühlen“, sagt Alvar Lipszye, Chef des Hotel Hacienda Na Xamena nahe der Ortschaft San Miguel. Er bietet in seiner Hotelanlage „mehr als nur holidays“ – eher ein berauschendes Erlebnis inmitten eines Naturschutzgebietes mit reicher Flora und Fauna.
Überall in den terrassenförmigen Wasserkaskaden sind Felsen und Pflanzen integriert und schaffen so eine Nähe zur gegenüberliegenden Felsküste. Auf der benachbarten weiten Terrasse „Eden“ ist man dem Himmel zum Greifen nah. Die gesamte Hacienda gleicht einer riesigen ibizenkischen Finca – Innenhöfe, Rundbögen, Galerien, Pflanzen und alles in weißer Architektur gekleidet. Von jedem der 63 ideenreich gestalteten Zimmer und Suiten hat man einen Blick auf Meer, Felsküste und Horizont. Und das ganz ungestört, denn die Zimmer sind so konstruiert, als wäre man allein in dieser bizarren Landschaft.
Architekt und Hotelchef Lipszye setzte mit der Hacienda fort, was sein Vater 1969 mit dem ersten Spatenstich des Hotels begann. „Damals war es eine Pioniertat, es gab weder Strassen, Wasser, Strom oder Telefon in diesem Teil der Insel“, erinnert sich der gebürtige Belgier, „und das Schiff fuhr nur ein mal pro Woche.“ Im Jahr 1971 eröffnete die Hacienda dann erstmals ihre Pforten, 1988 dekorierte ein fünfter Stern das Anwesen und seit 2001 kamen weitere Aktivitäten hinzu, welche die belebende Wirkung auf Körper und Geist noch weiter steigern. Neben SPA und Wellness Center bietet Na Xamena auch Kochkurse mit Panoramablick, die einen idealen Rahmen für die kulinarischen Besonderheiten der Region bieten. „Im Schnitt sind unsere Gäste um die 35 Jahre alt“, erzählt Lipszye und er gibt sich zuversichtlich mit seinem Konzept für den anspruchsvollen Besucher, eine andere Facette der Baleareninsel zeigen zu können. Die Belegungsquote von gut 80 Prozent gibt ihm recht.
Überhaupt: Wer genauer hinschaut und sich über die Insel treiben lässt, entdeckt weit mehr als Amüsiermeilen. Neben einzigartigen Buchten und Stränden an der Ostküste oberhalb von Santa Eulària des Riu oder auf dem Hippiemarkt nahe Punta Arabí, wo ein bunt gewürfeltes Spektrum aus Ständen mit Schmuck und Musik sowie reichlich Textil-, Tuch- und Lederwaren in allen erdenklichen Farben auf den Besucher wartet. Oder in Dalt Villa, der Oberstadt von Eivissa dem katalanischen Namen der Inselhauptstadt mit ihrem historischen Kern. Hinter den historischen Befestigungsmauern, deretwegen die UNESCO den Ort 1999 zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärte, verzweigt sich ein Labyrinth enger Gassen und Plätze. Läden mit Kunsthandwerk und stilvolle Restaurants begleiten den Besucher auf seinem Weg zu den Baluartes, den Schanzen der Festung, die einen weiten Blick über die Bucht, auf Ses Salines, den Salzfeldern und hinüber auf die Insel Formentera gewähren. Vom Platz vor der Kathedrale schaut man hinab auf die hektische Betriebsamkeit im Hafenviertel La Marina und der Einkaufsmeile von Sa Penya.
Doch damit nicht genug. Ibiza setzt neben dem kulturhistorischen Schwerpunkt auch bei den sanften Sportarten Akzente. So bieten knapp 25 Fahrradrouten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade eine Auswahl für Radler jeden Alters, bei denen der Urlauber die Insellandschaft intensiv erleben kann. Etwa auf dem Weg durch ausgedehnte Pinienwälder von Sant Josep de Sa Talaia hinunter zur Cala d’Hort ganz im Süden der Insel. Von weitem bereits die Felsinsel von Es Vedrá im Visier nähert man sich auf seinem Weg über Fincas, Schotterwege und kleine Straßen der Bucht. Dort angekommen will man nur noch eins: so schnell wie möglich vom Meerwasser umgeben sein.
Mehr Information
Spanisches Fremdenverkehrsamt
Turespaña-München
Postfach 151940
80051 München
0049/(0)89/530746-14
www.e-spain.info
Hotel Hacienda Na Xamena, 07815 San Miguel, Ibiza
Tel. 0034/971 33 48 72
www.hotelhacienda-ibiza.com
Essen
La Brasa, C./Pere Sala, 3, 07800 Ibiza
Tel. 0034/971 30 12 02
labrasaibiza
(Einheimische Küche mit ibizenkischen Spezialitäten wie Paella Ciega)
Sa Capella, Carretera St. Inés
Tel. 0034/971 34 00 57
Santisacapella
(Stilvolles Restaurant in einem alten Kastell)
Foto der Woche: Spielende Kinder in Jojawar, einem Dorf im Aravalli Gebirge, Rajasthan
Aran Islands: Natur drinnen wie draußen
Die mittlere der drei Aran Islands vor der irischen Westküste gelegen, besteht aus viel Stein und Geröll. Ein Hotel hat seine Suiten so gebaut, dass man die Insel auch in den Zimmern spürt.
„Wir sind das Gegenteil eines Spa“, sagt Marie Thérèse de Blacam, „die Landschaft soll in den Raum reflektieren und umgekehrt das Design des Raumes zur Landschaft passen.“ Gemeint sind ihre fünf Suiten mit Blick auf die Steinlandschaft und Weite von Inis Meáin. Jene Insel mit gälischem Namen, gut 20 Kilometer vor der Westküste Irlands gelegen, gerade mal fünf Kilometer lang und drei Kilometer breit ist die mittlere der drei Aran Islands – so abgeschieden von der Welt als lägen sie im Dornröschenschlaf. 200 Bewohner leben auf dem Eiland, sie treffen sich meist im einzigen Pub. Einige haben auch das B&B von Marie Thérèse entdeckt.
Heute ist ein TV-Team aus den USA im Pub unterwegs, originelle Motive der Insel sind gefragt. Im Haus des Schriftstellers John Millington Synge, der hier fünf Sommer lang verbrachte und eine tiefe Liebe für das Leben und die Sprache der Aaron Bewohner entwickelte, waren sie bereits. Jetzt zeigen John mit seiner Fiddle, der Violine, Steve mit der Tin Whistle, der Metallflöte und Conor mit seiner Bodhran-Trommel ihr Repertoire. Das Pub ist bis auf den letzten Platz gefüllt, an der Theke drängen sich die Gäste.
Ruarí wurde in einem Düsseldorfer Restaurant zum Koch
Auch Ruarí, Marie-Thérèses Mann, bahnt sich einen Weg zum Tresen. Er ist gelernter Koch und Mitbegründer von Inis Meáin Suites B&B – endlich hat er Feierabend. „Die letzten sind gerade gegangen“, erzählt er erschöpft und nimmt einen kräftigen Schluck vom frischen Guinness. Eine Gruppe Einheimischer habe den 50. Geburtstag eines Freundes gefeiert und mit alten Liedern ausklingen lassen, erzählt er. Das Restaurant mit seinen Suiten komme nach anfänglichem Misstrauen nun auch bei den Inselbewohnern immer besser an, sprudelt es aus ihm heraus. „Vor allem Familien, deren Kinder im Sommer vom Festland zu Besuch kommen, bestellen meist einen großen Tisch zum Wiedersehen“, berichtet Ruarí. Er hat seine Kochkünste in einem Düsseldorfer Restaurant gelernt, ist auf Inis Meáin aufgewachsen und in der Welt viel herum gekommen. Für den Vertrieb des heimischen Modelabels Knitwear Store, das hochwertige Wollprodukte wie Pullover, Schals, Mützen etc. in alle Welt vertreibt, hat er die Hotels an vielen Orten der Welt kennen gelernt.
„Irgendwann wollte ich etwas eigenes aufbauen“, erzählt der sympathische Ire in rheinisch gefärbtem Deutsch. Etwas besonderes sollte es werden, darin waren sich Ruarí und seine Frau einig. Auch wenn sich die aus dem fernen Cork stammende lebenslustige Marie-Thérèse erst mal an Land und Leute auf der Insel gewöhnen musste. Eine Architektur, so schwebte ihnen vor, die zur heimischen Natur passt und zugleich Designansprüche erfüllt. Ein exklusives Hotel, das ihnen zugleich ein gemeinsames Heim werden sollte. Ein befreundeter Architekt half bei der Konzeption der Inis Meáin Suites B&B.
Vor sechs Jahren eröffnete das eigenwillige Restaurant zunächst mit drei Suiten, heute sind es fünf. Seither hagelte es Anerkennung und Auszeichnungen und Preise. Die vier Burren Suiten sind etwa 50 Quadratmeter groß, die Connemara Suite umfasst 130 Quadratmeter. Die Wände einfach und grau geputzt in derselben Farbe wie der typische Limestone der Insel, der Boden aus Holzparkett und eine zehn bzw. 15 Meter lange und ein Meter hohe Fensterfront, vor der sich eine Holztischablage durch die Länge des Raumes zieht. Hier sitzt man, frühstückt und blickt hinaus auf die Silhouette der Insellandschaft mit ihrem Meer aus Steinen, das die Gemüsefelder voneinander abgrenzt und gegen den Wind schützt. Von Ost nach West sucht der Blick die Weite des Horizonts ab.
Die Landschaft „intensiv erleben“, nennt Marie-Thérèse den Kern ihres Konzepts. „Drinnen wie draußen.“ Der Besucher hat keine andere Wahl, der Blick auf die Landschaft ist allgegenwärtig. Nicht einmal die sonst üblichen Zerstreuungen sind möglich. Kein Fernsehen, dafür gibt es Bücher und Bildbände. Und wer genug hat vom Blick aus der Suite ändert einfach die Perspektive, schnappt sich das Mountain-Bike oder die Angelrute. Oder wandert von der schroffen Felsküste im Süden zu den Sandstränden im Norden, vorbei an wild blühenden Blumen und zahlreichen Zeugnissen der historischen Vergangenheit. „Hier kann man die Schönheit der Insel in all in ihren Facetten spüren“, schwärmt Marie-Thérèse, die inzwischen perfekt gälisch spricht.
Am Abend beim Besuch des Restaurants mit dem selben Panorama-Blick wie die Suite, genießt man frischen Lobster und Krabben aus dem Atlantik. Ihr Ziel auf eigenen Beinen zu stehen haben die beiden Suiten-Begründer erreicht, das gilt auch für die autarke Versorgung mit den nötigen Zutaten für die Küche. Und die Suiten sind eigentlich immer ausgebucht.
Mehr Information
Irland Information, Gutleutstraße 32, 60329 Frankfurt am Main
Tel.: 069 – 6680 0950
www.ireland.com
Inis Meáin Restaurant & Suites, Aran Islands Co. Galway,
Tel.: + 353 86 8266026
www.inismeain.com
Anreise
z.B. mit Aer Lingus von München nach Dublin, weiter mit Mietwagen über Galway bis nach Rossaveel, von dort die Fähre nach Inismeain.
Indien ganz ohne Koffer
Es sollte eine spannende zweiwöchige Rundreise durch Rajasthan werden. Vielleicht nicht ganz so spannend, würde Heike B. rückblickend vielleicht sagen. Denn am Flughafen in Neu Delhi wird ihr schnell klar: Das Gepäckband spuckt ihren Koffer nicht aus. Nachfragen bei der Airline ergeben: Der begehrte Trolley ist wegen des Abflugchaos am Frankurter Flughafen offenbar in einen anderen Flieger geraten. Weiterlesen
Foto der Woche: Rajasthan – Heilige Kuh betritt Shop
Foto der Woche: Meditation mit Buddha, Sri Lanka
Asturien: Die grüne Wiege Spaniens
Die Costa Verde ist eines der bestgehüteten Geheimnisse Spaniens.
Sattgrüne Wiesen fallen steil zum Meer hinab, gewaltig kracht die Brandung gegen die Felsen, weiße Gischtkämme kontrastieren mit dem tiefen Blau des Atlantiks. In der Ferne schmiegt sich eine kleine Stadt in die Felsküste ein. Dahinter thront majestätisch eine schneebedeckte Gebirgskette. „Die Picos de Europa, die Spitzen Europas haben eine besondere Bedeutung für Asturien“, sagt Tanja, die Reiseleiterin. Seit acht Jahren lebt die Mainzerin nun schon im hohen Norden Spaniens und sie hat die autonome Provinz lieben gelernt. „Die Picos schützten seinerzeit Asturien vor den eindringenden Mauren“, erklärt Tanja. Bei Covadonga besiegten die Christen im Jahr 722 eine muslimische Streitmacht – Startschuss für die Rückeroberung der iberischen Halbinsel, die erst 1492 mit dem Fall Granadas endete.
Ein Grund, weshalb sich das spanische Königshaus noch heute eng mit Asturien verbunden fühlt und der Thronfolger seit 1388 den Titel Principe de Asturias, Fürst von Asturien trägt. „Geschichte begegnet man auf einer Reise durch Asturien auf Schritt und Tritt“, meint die junge Deutsche. So auch im Küstenort Llanes, der bereits bei der Ankunft mit seinen herrschaftlichen casas indianos auf jene Epoche verweist, als die nach Kuba und Mexiko emigrierten Auswanderer zurückkehrten und im 19. sowie Anfang des 20. Jahrhunderts durch den Bau kleiner Paläste ihren erworbenen Wohlstand ausdrückten. Sichtbares Zeichen ihres Architekturstils seien die „gepflanzten Palmen im Vorgarten als dekoratives Element“.
Vom Paseo de San Pedro, einem sechs Meter breiten und ein Kilometer langen Wanderweg über den Klippen, blickt man auf die Reste der alten Stadtmauer aus dem Jahr 1206 und der dahinter liegenden Altstadt mit ihrer fast reingotischen Basilika Santa María. Die Silhouette der Stadt vor Augen fügt sich langsam das Puzzle von Llanes zusammen: Seine jahrhunderte alte Tradition als einziger Walfanghafen außerhalb des Baskenlandes und Skandinaviens und sein bis heute existierender Fischereihafen zeigen die enge Verbindung der Stadt zum Meer. Dass Llanes umgeben ist von drei feinen Sandstränden, macht den Ort für Touristen zusätzlich attraktiv. Am Ende der Promenade gelangt man zum kleinen Strand Puerto Chico und wundert sich über ein zusammen gewürfeltes Meer vielfarbiger Betonquader, die sich längs der Hafenmole auftürmen. Die „Cubos de la Memoria“, die Gedächtniskuben, haben hier eine „neue Landschaft“ entstehen lassen, erfährt der Besucher. Für den baskischen Künstler Agustín Ibarrola seien es vor allem der „Farbreichtum sowie die optischen Effekte durch den Wellengang und die Fluten“, die den besonderen Reiz des Werkes ausmachen.
Weiter geht’s entlang der Steilküste vorbei an einladenden Sandbuchten wie der Playa Celorio, durch typische Dörfer mit ihren Holzveranden und den hórreos, den quadratischen Getreidespeichern aus Holz, die auf vier Standbeinen thronend Nagetiere fernhalten sollen. „Zu einem Drittel besteht Asturien aus geschützten Naturgebieten“, erklärt die Wahlasturierin. Zudem sei es das Land des Sidre, des Apfelweins – bei einer Cena-Espicha, einem Abendessen mit fabada, dem deftig-herzhaften Eintopfgericht, Apfelwein und traditioneller Folklore mit Dudelsack, vergisst man leicht, dass dies Spanien ist. „Eher wie in Irland“, bringt es Tanja auf den Punkt und spielt damit auf die keltischen Wurzeln an.
Die reichen bis in die Hauptstadt Oviedo. Gegründet im Jahr 761, demselben Jahrhundert des erfolgreichen Widerstandes gegen die maurische Invasion, genießt die Stadt mit ihren Holzerkerhäusern, Palästen und Herrenhäusern sowie den einladenden Plätzen und Gassen der Altstadt den Ruf „sauberste Stadt Spaniens“ zu sein. Von der grünen Lunge der Stadt, dem Campo de San Francisco, ist es nicht weit bis zur Plaza Porlier, wo die Altstadt beginnt. Am Ende des Platzes ragt schon der mit romanischen Elementen versehene Turm der ansonsten gotische Kathedrale San Salvador empor – eine perfekte Kulisse für die markante Skulptur am Eingang des Kathedralenplatzes. Hier posiert lebensgroß La Regenta, die Präsidentin – Protagonistin eines Gesellschaftsromans von Clarín aus dem 19. Jahrhundert. Nach diesem Vorbild findet man weitere Skulpturenmotive beim Rundgang durch die Altstadt – „meist prägende Figuren der Stadtgeschichte“, klärt Tanja auf.
Woody Allen ist ein Fan von Oviedo
Durch die Calle Gascona, dem Apfelwein-Boulevard, vorbei an Weinschänken und Läden mit Kunsthandwerk erreicht man das Teatro Campoamor. „Hier verleiht seit 1981 Thronfolger Felipe jährlich den Preis Principe de Asturias für besondere kulturelle, humanistische oder wissenschaftliche Verdienste“, verrät Tanja und fügt hinzu: „Woody Allen ist einer der Preisträger und seither ein großer Fan der Stadt.“ Zu deren Ausstrahlung auch die Bauten der asturischen Präromanik gehören. Etwas außerhalb des Zentrums auf einer Anhöhe, liegt Santa María del Naranco, das einzig noch erhaltene zivile Palastgebäude der Westgoten aus dem 9. Jahrhundert. Es ist nicht allein das Bauwerk mit seiner Aura jahrhunderte währender Geschichte, die diesen Ort zu einer meditativen Stätte machen. Der Blick wandert langsam über die in einem weiten Tal liegende Stadt, dahinter die Gebirgskette und spätestens hier wird dem Besucher klar: Asturien ist die Wiege Spaniens.
Mehr Information
Turespaña-München
Spanisches Fremdenverkehrsamt
Tel.: 0049/(0)89 530746-13
Fax: 0049/(0)89 530746-20
www.spain.info
Essen
Restaurante San Pelayo
33595 Niembro
Llanes
Tel.: 0034 985 40 73 76
www.restaurantesanpelayo.com
Cena-Espicha (traditionelles Abendessen mit Apfelwein und Tanz)
Restaurante El Llagar de Cabueñes
Ctra. Villaviciosa
Cabueñes (Gijón)
Tel.: 0034 985 13 36 31
Übernachten
Hotel El Balcón de la Cuesta
Camino de la Cuesta
Andrin – Llanes
Tel.: 0034 985 41 74 29
www.balcondelacuesta.es
Hotel Barceló Cervantes
Cervantes 13
33004 Oviedo
Tel.: 0034 985 25 50 00
www.barcelooviedocervantes.com
Sehenswert
Laboral Ciudad de la Cultura
Riesiger Gebäudekomplex aus der Franco-Zeit, der seit 2007 als Kulturtempel genutzt wird, in dem moderne Theater-, Tanz-, Musik- und Kunstperformances stattfinden.
C/ Luis Moya Blanco, 261
33203 – Gijón (Asturias)
Tel.: 0034 985 185 581
www.laboralciudaddelacultura.com
La Gomera: Wo Pfeifen zum guten Ton gehört
Auf dem Satellitenbild wirkt sie wie ein runder grüner Tupfer im blauen Meer. Wer La Gomera bereist wird von pfeifenden Menschen begrüßt, wandert durch Lorbeerwälder und versteht, warum die Insel auch La Isla Colombina genannt wird.
Im Handumdrehen führt sie Zeige- und Mittelfinger ihrer linken Hand zum Mund, ihre Rechte formt sich zum Schalltrichter. Beherzt bläst sie durch die gespitzten Lippen, bis ein schriller Pfeifton entweicht. Und so geht es weiter: Ton für Ton, in unterschiedlicher Höhe und Länge. „Herzlichen Willkommen auf La Gomera“, pfeift Iballa den Besuchern entgegen. Genauso wie es ihre Vorfahren, die Guanchen, über Jahrhunderte machten.
Schon vor 600 Jahren sprachen französische Missionare von Bewohnern, die nur „mit den Lippen sprechen“. Und das half. So verständigten sie sich über die insgesamt 57 barrancos, jenen tiefen und weiten Schluchten, die vom Gipfel zum Meer hinabführen. Bis zu drei Kilometer weit hallen die Töne. Heute diene El Silbo, die Pfeifsprache, vor allem der „Traditionspflege“, erklärt Petra Schramm, die Reiseleiterin mit deutschen Wurzeln. In der Grundschule werden die mehr als 3000 Silben gelehrt, um sie als Kulturgut zu erhalten. Zu hören ist El Silbo meist auf den verschiedenen Fiestas der Insel.
Wein, Orangen, Mangos und Avocados wachsen auf den Hängen
Die meisten Besucher, die in der Hauptstadt San Sebastian die Insel betreten, reisen weiter ins Valle Gran Rey, dem großen Königstal oder zur Playa Santiago. Aber auch der weniger erschlossene Norden hat seine Reize. Serpentinenreich führt der Weg von San Sebastian über die Nordstraße, der ältesten Route La Gomeras, via Hermigua nach Agulo. Auf den terrassenförmig angelegten Hängen gedeihen Wein, Orangen, Mangos und Avocados. „Ein Erbe der Spanier“, verweist Schramm. Sie hätten damals Wald und Vegetation abgerodet um auf den Terrassen Zuckerohr und Getreide anzubauen. Heute überzieht ein Meer aus Dattelpalmen zudem die Landschaft. „Rund 165.000 sind es und damit mehr als auf allen anderen Kanarischen Inseln zusammen“, weiß die Wahlinsulanerin. Sie sind nicht nur schön anzusehen, es ist vor allem der guarapo, der sie so unentbehrlich macht. Jener Palmensaft, aus dem der berühmte miel de palma, der Palmenhonig hergestellt wird. Etwa drei Monate lang kann die edle Flüssigkeit Nacht für Nacht aus den Bäumen gezapft werden, „bis zu zehn Liter pro Nacht“, bekräftigt die deutsche Einwanderin. Danach regeneriere die Pflanze bis zu fünf Jahre lang – bis zur nächsten Ernte.
Nach Hermigua werden die Bananenplantagen immer dichter. „50 Prozent aller plátanos der Insel stammen von hier“, sagt die temperamentvolle Reiseleiterin „in der nahen Playa de Hermigua wurden sie früher verladen.“ Bananen? Ja, viel kleiner seien sie als die aus Südamerika, dafür süßer und schmackhafter. Kaum zu finden in deutschen Supermärkten und seit die EU die Einfuhrzölle für lateinamerikanische Bananen gesenkt haben, „sind die kanarischen Bananen nicht mehr konkurrenzfähig“, bedauert Schramm.
Konkurrenzlos hingegen ist der kleine Küstenort Agulo im Nordosten der Insel. Zum Landesinnern hin ragt das Gebirge des Garajonay wie eine massive Wand gen Himmel, zur Küste hin fasziniert der Blick auf die Nachbarinsel Teneriffa und dem mit 3718 Metern höchsten Berg Spaniens, den Teide. Bei einem Rundgang durch die engen kopfsteingepflasterten Gassen und kleinen Plätze scheint die Zeit für einen Augenblick still zu stehen. Man stellt sich vor, wie zur alljährlichen Fiesta Los Piques die Pfeiftöne hin und her durch den Ort schallen – dann lassen die Gomeros für ein paar Tage wieder ihre Lippen sprechen.
Wie El Silbo gehört auch der weltweit größte zusammenhängende Lorbeerwald im Nationalpark Garajonay zur Visitenkarte der Insel. Teils bis zu 30 Meter hoch sind die Bäume mit ihren langen Flechtenbärten inmitten imposanter Farngewächse. Mystisch wirken sie besonders dann, wenn sich der Vulkankegel des Garajonay – wie so oft – in Wolken hüllt. Jedes Knacken, jedes Kreischen, jedes Geräusch wird zu einem Hexentanz. Schier unverwechselbar bleibt der Rundgang über einen der markierten Wege. Fast federnd läuft man über den feuchten Boden und mit jedem Atemzug spürt man die reiche Auswahl verschiedenster Kräuter, begleitet vom Gezwitscher der einheimischen Vogelwelt.
Zurück nach San Sebastian lohnt ein Abstecher ins Töpferdorf La Chipude, am besten in die Bar Maria auf ein Glas des heimischen Weißweins. Umgeben von üppigem Sammelsurium aus Pokalen, Medaillen, Urkunden und kleinen Andenken fühlt man sich in diesem kleinen „Museum“ der Insel gleich ein Stück näher. Maria und ihre Gäste betrachten den Besucher mit viel Herz und Charme und plaudern gern über ihre Isla Colombina. Kolumbusinsel? Ja, erzählen sie von allen Seiten rege drauf los. Am 12. August 1492 hätte die Flotte von Cristobal Colon vor seiner Atlantiküberquerung ein letztes Mal an der Küste Gomeras angelegt, um Proviant und Wasser zu laden. „Und mit diesem Wasser wurde Amerika getauft“, ist jeder in der Bar überzeugt. Im alten Zollhaus von San Sebastian erinnert eine Tafel am Brunnen La Aguada „Con este agua se bautizó America.“ – mit diesem Wasser wurde Amerika getauft.
Mehr Information
Spanisches Fremdenverkehrsamt
Turespaña-München
Postfach 151940
80051 München
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Übernachtung
Hotel Gran Rey, La Puntilla, s/n 38870 Valle Gran Rey, La Gomera
Tel. 0034 922 80 58 59
www.hotelgranrey.com
Hotel Jardin Tecina, Playa Santiago, La Gomera
Tel: 0034 902 222 140
www.jardin-tecina.com
Foto der Woche: Frau in Myanmar
Wenn Spaniens Fluglotsen streiken
Zwei wunderschöne Wochen auf den Kapverdischen Inseln gehen zu Ende. Nach der Landung auf Santiago bleiben mir bis zum Abflug nach Lissabon noch gut acht Stunden am Airport von Praia. Von den vielfältigen Eindrücken der Inselwelt zehrend sollte die Wartezeit unter Palmen vor dem Terminal kein Problem werden. Eine deutsche Zeitung am Kiosk spricht vom Wintereinbruch in Deutschland und von chaotischen Straßenverhältnissen, so entdecke ich bei einem Rundgang. Gelesen, geschmunzelt, abgehakt – solche Schlagzeilen sind weit weg, wenn man bei 28 Grad im Schatten die Sonne genießt.
Ritten: Wo die Lust zum Nichtstun unerschöpflich ist
Auf dem Hochplateau oberhalb von Bozen ist man umgeben von den Gipfeln der Dolomiten, genießt die klare Luft auf über 1000 Meter Höhe und überlässt sich dem Müßiggang. Ein Advents-Wochenende auf dem Ritten.
Wer sich am Sonntag nach dem Frühstück in die Poststube von Klobenstein oder italienisch – Collalbo – begibt, wird eine Weile brauchen, bis er seinen Cappuccino bekommt. Nach dem Gottesdienst halten Männer wie Frauen ihren sonntäglichen Frühshoppen – am Tresen wie an den Tischen. Bis der Cappucco kommt lässt man die Blicke schweifen und wird schnell entdecken, was über dem Eingang zum Stübele geschrieben steht. „Hier auf dem Ritten ist es so göttlich schön und behaglich. Ich habe eine unerschöpfliche Lust zum Nichtstun.“ Was Sigmund Freud vor mehr als 100 Jahren so empfand, ist heute nicht anders. Als stecke eine Kraft der Verwandlung in dem Fleckchen Erde oberhalb von Südtirols Landeshauptstadt. Ist es der ständige Panoramablick, die reine Luft, die Stille oder steckt noch mehr dahinter?
Wer ein Wochenende auf dem Ritten verbringt, kennt die Antwort, vor allem wenn er im richtigen Hotel logiert. Eigentlich startet die Wintersaison für die Pechlaners erst kurz vor Weihnachten, doch in diesem Jahr haben sie ihr Hotel Dolomiten vis á vis der Kirche von Klobenstein schon an den Adventswochenenden geöffnet. Und die sind „sehr gut besucht“, wie Hotel-Inhaberin Katia Pechlaner bestätigt. Gäste aus dem nicht so fernen Innsbruck, aus Luxemburg und sogar aus dem weiten Münsterland freuen sich bereits nach der Anreise auf das Abendessen.
Schnell kommt man ins Gespräch. Die vielen Wanderwege, die berühmten Erdpyramiden und vor allem die Weihnachtsmärkte. Wie bitte? „Die Italiener sind ganz verrückt nach den Weihnachtsmärkten in Bozen und Umgebung“, meint die Hausherrin. Und sie hat recht. Wer mit der Seilbahn von Soprabolzano hinunter nach Bolzano fährt, wird über die liebevoll geschmückten Gassen und Plätze geschoben. Ganze Familien pilgern an den Ständen und Buden vorbei, halten an den Buden mit Kunsthandwerk, Strick- und Textilwaren, Puppen, Figuren und jede Menge Weihnachts-Klimbin inne. Sie trinken, kaufen, reden laut und lachen viel.
Doch nicht nur dort, auch zurück in Oberbozen erwartet den Besucher gleich vor dem Eingang der Seilbahn ein kleiner Markt mit einem offenen Feuer, um das sich die Menschen scharen und wärmen. Spontan beginnt eine Gruppe Männer und Frauen zu singen, ein einheimisches Lied im Kanon, das unter die Haut geht. Zugleich versinkt die Sonne und wirft ihr rötlich-schimmerndes Abendlicht auf die gegenüber liegende Santnerspitze. Unvergesslich schön, so dass man weiter verharren möchte am Feuer bei den eindringlichen Stimmen.
Doch die nostalgisiche Rittner-Bahn mit dem Triebwagen von 1907 bläst ihr Horn und ruft zur Heimfahrt über die einzige Schmalspurbahn Südtirols. Zurück im Hotel, sind inzwischen auch die italienischen Gäste gut vertreten. Die Pechlaners zeigen, wie herzlich-familiäre Gastlichkeit aussehen kann: Die Küche kredenzt bodenständige traditionelle Speisen aus der Region garniert mit einer Prise mediterraner Leichtigkeit – den Gaumen der Gäste gefällt’s. Zum Abschluss kommt die Krönung: Ein Buffet erlesener Desserts, bei denen man einfach kein Ende findet.
Beim abschließenden Schoppen des hiesigen Lagrein kommen die Tipps für den nächsten Tag auf den Tisch. Es dauert nicht lange und die Agenda steht fest: Erst zum Bauernadventsmarkt mit seinen lokalen Spezialitäten, dann über die Freudpromenade nach Oberbozen. Auf der 80-minütigen Wanderung gilt es jeden Meter zu genießen, denn spätestens hier muss es ja liegen – jenes Geheimnis Rittens, das Sigmund Freud zum unerschöpflichen Nichtstun animierte.
Mehr Information
Tourismusverein Ritten
www.ritten.com
Essen & Übernachtung
Hotel Dolomiten
Familie Pechlaner
Strickerboden 4
I-39054 Klobenstein (BZ)
Ritten – Südtirol – Italien
Tel. 0039 0471 356 134
info@hoteldolomiten.com
www.hoteldolomiten.com
Gargano: Fischen auf Pfählen
Auf dem Gargano, dem Sporn des italienischen Stiefels, sorgen spezielle Konstruktionen aus Pfählen und Masten für einen Fischfang ohne Boot. Die so genannten Trabucchi säumen vereinzelt die Küste zwischen Vieste und Peschici, manche werden sogar zum beliebten Fischrestaurant.
Den Horizont fest im Visier, über den Köpfen ragen lange Masten und Leinen mehrere Meter weit ins Meer hinaus. Ein Dreimaster unterwegs auf hoher See, könnte man denken. Und doch ist es ein trabucco, das auf einer karstigen Felsklippe befestigt ist. „Mit dieser Fischfang-Konstruktion decken wir unseren gesamten Bedarf“, sagt Mario vom Fischrestaurant „Il Trabucco di Montepucci“, das mit der Fangbasis verbunden ist.
Es sind die fischreichen Strömungen nahe der Küste, die diese Art der Fischerei begünstigen. An den ins Meer hinaus ragenden Masten hängen große Senknetze, mit denen sich die reichen Fischgründe auch ohne Boot und trockenen Fußes ernten lassen. „Je größer die Senknetze, desto höher die Chance, vorbei schwimmende Fische zu fangen“, so die Grundregel dieser Methode. Gebaut sind die trabucchi aus Edelkastanien und widerstandsfähigen Robinien. Die Befestigungen mittels Schnüren und Seilen macht die Konstruktion beweglich und haltbar.
Viele dieser historischen Anlagen seien entlang der Küste zwischen Peschici und Vieste aufgegeben worden, berichtet Mario, „eine authentische Restaurierung ist meist zu kostspielig.“ Doch das Beispiel unterhalb des Sarazenenturms Torre Montepucci zeigt, dass es auch anders geht. Besonders am Wochenende ist das trabucco gut besucht. Aus Foggia und Manfredonia kommen die Ausflügler und genießen Essen und Aussicht auf der Plattform unter den Masten. Versüßt wird ihr Panorama zusätzlich mit der Sicht auf die Altstadt des nahe gelegenen Peschici. Etwa 90 Meter hoch liegt der Ort auf einem ins Meer ragenden Felsrücken.
Von der lebendigen Piazzetta mit ihren Eiscafés und Bars führt der Weg hinauf zur Felsspitze mit den Überresten des alten mittelalterlichen Kastells. Man schlendert durch enge Gassen mit weiß gekalkten Häusern, üppig mit Blumen geschmückten Balkonen, an denen die frisch gewachsene Wäsche im mediterranen Wind trocknet. An jeder Ecke laden stilvolle Läden mit Kunsthandwerk, Olivenöl- und Pasta-Spezialitäten zur Rast – stets begleitet vom freundlichen Lächeln der Bewohner. Am Ende der Via Castello ist die Sicht frei – man schaut über die Silhouette des 4000 Seelen Ortes mit seinen teils kuppelartigen Dächern, die einen Hauch orientalischen Flair vermitteln. Unweigerlich schweift der Blick hinüber zum langen Sandstrand, der sich bis zum nächsten Felsvorsprung gen Norden erstreckt. Genau dort, wo die langen Masten des Trabucchi di Montepucci auf Fischfang gehen.
Eine Renaissance erfahre der traditionelle Fischfang jedes Jahr Ende Juni, fällt Mario noch ein. Beim Festival der trabucchi in Vieste lebe die Geschichte dieser einzigartigen Fangart wieder auf. In der Nähe des Hafens, dort, wo die alten trabucchi des Küstenstädtchens liegen, erinnert das Festival an jenes Zeitalter, als die Gemeinschaft der Fischer von Vieste hier ihre Seefischerei und damit ihre Familien ernährten. Ein Blick zurück in diese Epoche lohnt sich – das weiß man spätestens, wenn man die geschmackvoll zubereiteten Fischspezialitäten mit Aussicht auf den Horizont genießt.
Mehr Information
www.enit-italia.de
Essen
Al Trabucco da Mimi
Localitá Punta San Nicola
71010 Peschici (Gargano)
Tel. +39 0884 962556
www.altrabucco.it
Flug AZ 6149
Brückenwochenende, vier Tage Zeit am Stück. Ideal für einen Kurztrip nach Italien. Warum nicht mal nach Apulien, das kennt man kaum und soll doch so reizend sein. Mit dem Flieger von München nach Bari überhaupt kein Problem, so denken wir. Reine Flugzeit 1 Stunde und 20 Minuten, heißt es. Geht nur mit Zwischenstopp in Rom? Auch kein Problem, dann dauert es eben eine Stunde länger. Fliegen ist ja heute wirklich ganz einfach. Weiterlesen
Foto der Woche: Stelzenfischer von Weligama, Sri Lanka
Foto der Woche: Palm Springs, Kalifornien
Foto der Woche: Hochzeit in Sitges, Provinz Barcelona
Peru: Mit dem Paso Peruano auf Pyramidentour
Inkas, Azteken, Mayas und die alten Ägypter prägen unser Bild vergangener Zivilisationen – doch wer kennt schon Caral? Auf einem Ritt durch die nordperuanische Wüste zur ältesten Zivilisation Amerikas und UNESCO Weltkulturerbe taucht man tief ein in die Geschichte der Menschheit.
Alfredo Anduaga wartet schon ungeduldig auf seiner Hacienda Fundo El Olivar. Ein Ritt durch die Wüste steht auf dem Programm – hin zu den Ruinen der ältesten Zivilisation des amerikanischen Kontinents, nach Caral. Er ist stolz auf seine Caballos a Paso Peruano, jene peruanischen Pferde, die tölten. „Sie laufen mit den Vorderbeinen eher seitlich“, erklärt der 63-jährige Fincabesitzer das Phänomen des Töltens. „Eine Art nach außen schwingende Bewegung.“ Er besitzt 45 dieser stolzen Vierbeiner, deren Gang so einzigartig sanft und weich ist, dass sie sich bestens für entspannte Ausritte eignen.
Die temperamentvollen Pferde stehen bereit für den Ritt durch die gleißende Sonne, über den milenario „camino a caral“, einem 5000 Jahre alten Pfad, den „ältesten der Welt“ wie Alfredo ankündigt. Früher wie heute führt der camino zehn Kilometer lang durch eine wüstenähnliche karge Sand- und Dünenlandschaft. Archäologe Iván Ghezzi vom Instituto de Investigaciones Arqueológicas in Lima reitet voraus. Mal im Gang, mal im Trab führt der Ritt über Hügel, Dünen und Täler. Nichts als Sand, wohin man blickt. Am Wegesrand gedeihen achupallas. Sie leben ausschließlich vom Morgenthau, erklärt Alfredo Anduaga und wiegt das zähe Gewächs in seinen Händen.
Nach gut drei Stunden im Sattel führt ein schmaler Pfad eine Anhöhe hinauf. Auf dem Gipfel angekommen breitet sich das fruchtbare Tal des Rio Supe wie eine Oase aus. Der Blick sucht nach Pyramiden, doch von hier sind es noch einige Kilometer bis zu den archäologischen Stätten einer der frühesten Zivilisationen der Welt. Steil mühen sich die Pasos die Anhöhe hinab, ihre Hufen finden auf dem steinigen Geröll nur schwer festen Halt. „Amerikanische Archäologen fanden in diesem Tal im Jahr 2001 Knochen, Trompeten aus Muscheln und Flöten aus Pelikanknochen“, erzählt Iván auf dem Ritt entlang des Flusses, 182 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lima gelegen.
Die Radiokarbon-Methode habe eine exakte Altersbestimmung der organischen Materialien ermöglicht. „Am Ende musste die Geschichte neu geschrieben werden.“ Bis dato habe das 3.000 Jahre alte Chavon de Huántar nahe der Stadt Húaraz in den nördlichen Anden Perus als älteste Zivilisation Amerikas gegolten. Seither sei klar: Vor ca. 4.600 Jahren bauten Menschen auf einer Fläche von etwa 66 Hektar, umrahmt von den Ausläufern der südlichen Cordillera Negra, eine Hauptstadt als Zentrum von 20 umliegenden Städten und Siedlungen.
Das Tal des Rio Supe geht in ein weites Plateau über. Überall sind frei gelegte Bauwerke erkennbar – Stufenpyramiden, Grundmauern von Tempeln und Palästen sowie ein Amphitheater. Sofort fällt die so genannte Große Pyramide mit 160 Meter Länge, 150 Meter Breite und 18 Meter Höhe ins Auge. „Sie ist das Zentrum vergangener Macht“, bestätigt Archäologe Iván. „Die Gebäude dienten zeremoniellen Zwecken und repräsentierten die Herrschaftsklasse“, gibt der Fachmann weitere Einblicke. Man staunt, ist überwältigt und kann es kaum glauben. Unaufhörlich arbeitet die Phantasie – still, einsam und entrückt wirkt die Szenerie. Haben hier die Menschen bei religiösen Anlässen vor den riesigen Tempeln gestanden und ehrfürchtig einem Herrscher gehuldigt? Wie waren sie organisiert? Trieben sie Handel?
„Das Amphitheater zeugt vom kulturell hohen Entwicklungsstand der Menschen von Caral“, klärt Iván auf. Ihre kulturelle Entwicklungsstufe sei denen anderer Kulturen auf dem amerikanischen Kontinent um 1500 Jahre voraus gewesen. Sie hätten damit ein ähnliches Niveau wie die damaligen Gesellschaften in Mesopotamien, Ägypten, Indien und China erreicht. Doch im Unterschied zu diesen sei kein Kontakt zu anderen Hochzivilisationen nachgewiesen. Die Bauwerke und ihre präzise Planung sowie das Netz von Bewässerungskanälen, betont Archäologe Iván, zeugten „von einer gut organisierten Gesellschaft, die von zielstrebigen Regenten geleitet wurde.“
Am Eingang zu den Stätten empfängt eine großes Plakat den Besucher mit den Worten „Bienvenido a la Ciudad Sagrada de Caral“, Willkommen in der heiligen Stadt Caral, darauf zwei Figuren, die den Menschen jener Zeit ins Bild bringen. Ein Weg verbindet alle bisher freigelegten Monumente und erklärt auf Tafeln deren Bedeutung. Für jeden Touristen eine Führung durch die Geschichte der Menschheit. Noch kommen die Besucher vorwiegend aus Peru, weiß der leidenschaftliche Archäologe – die internationale Touristenresonanz sei bisher noch zurückhaltend.
Dass sich dies bald ändern wird, davon ist Alfredo Anduaga überzeugt. Immerhin ist Caral seit Juli 2009 UNESCO-Weltkulturerbe. Und es ist eines der ersten Projekte in Peru, bei dem die archäologische Forschung mit der einheimischen Bevölkerung und dem Tourismus zusammen gearbeitet hat. „Die Archäologen stellen die Bauern der Region nicht nur als Hilfskräfte zum Ausbuddeln ein“, freut sich Pferdenarr Anduaga. „Sie schaffen langfristige Arbeitsplätze als Touristenführer, Aufsichtspersonal, Handwerker oder Verkäufer.“ Und davon profitiert auch Alfredo Anduaga mit seinen Ausritten auf Pasos Peruanos zu den Pyramiden.
Mehr Information
Ausritte mit Alfredo Anduaga:
www.acaralacaballo.com
www.peru.info
Anreise
Mit KLM von München über Amsterdam nach Lima
Kapverden: Vom Leben im Vulkankrater
Allen Gefahren zum Trotz kann das Leben im Vulkankrater auch seine Reize haben. Der Deutsch-Türke Mustafa fand unterhalb des Pico do Fogo gar seine neue Heimat.
Wie durch einen fruchtbaren Garten schlendert er von Baum zu Strauch. Hier ein Apfel dort eine Quitte, eine Papaya, Kongobohne oder Tomate. Selbst beste Weinreben gedeihen hier prächtig – in der Chã das Caldeiras, einem riesigen halbkreisförmigen Felskessel in 1600 Metern Höhe gelegen und mit einem Durchmesser von neun Kilometern. Der Krater unterhalb des Pico do Fogo auf den Kapverdischen Inseln ist die neue Heimat von Mustafa, dem Deutsch-Türken aus Aachen, der seit acht Jahren mit seiner Frau Marisa und Sohn Sam im gleichnamigen Dorf Chã das Caldeiras lebt.
Stolz zeigt Mustafa, der ehemalige Europameister im Speed-Klettern auf sein Dorf, in das er sich „bestens integriert“ hat, wie er immer wieder bestätigt. Kein Wunder, denn er ist ein wahrer Spezialist im Integrieren: Mustafa spricht acht Sprachen fließend. In einem ostanatolischen Dorf geboren und aufgewachsen kam der Kletterprofi nach Deutschland um Bauingenieur zu werden. Nach dem Studium spezialisierte er sich auf Sicherungsbefestigungen. Sein Wissen führte ihn auf die Kapverden, wo er im Auftrag der Deutschen Entwicklungshilfe die Via Ferrata, den Kammweg oberhalb der Bordeira, jener steilen Felswand, die den Felskessel von Süden nach Westen hin begrenzt, ausbaute und sicherte. Ein Einsatz, der sein Leben veränderte. Während der Arbeiten lernte er Marisa kennen.
Mustafa zog drei Jahre lang mit dem „around-the-world-ticket“ durch die Welt
„Ich fühle mich hier zuhause“, bekräftigt Mustafa. „Der Krater vermittelt Geborgenheit und Freiheit zugleich.“ Das sagt einer, der drei Jahre lang Besitzer eines around-the-world-tickets war und gratis durch die Welt jettete um neue Klettersteige auszukundschaften. Doch man glaubt es ihm, wie er leicht und beschwingt über das Lapillifeld, jenen kieselgroßen runden Lavabrocken läuft, immer wieder einen neuen Apfel vom Baum pflückt und über das Leben in seinem Krater erzählt. Am Pico Pequeño hält Mustafa inne. Jener kleine Vulkan, der 1995 bei seinem Ausbruch erst entstand. Von seinem Gipfel aus sieht man tief in den Schlund hinein, aus dem die Lava sprühte.
Im Umfeld ist das Lavagestein noch heute so warm, dass ein Knäuel Reisig sofort Feuer fängt. Und der Blick wandert hinüber zum Dorf unterhalb der mächtigen Bordeira, vor der die Lavamassen zum Stillstand kamen. Mustafa kennt die Geschichte des letzten Ausbruchs aus den Berichten seiner Frau. Nachts um zwei sei starker Wind aufgezogen und die Erde begann zu beben. Fluchtartig seien die Bewohner von Chã hinaus auf die Felsvorsprünge der Bordeira geeilt. Alle 1300 Einwohner wurden evakuiert, erst sechs Monate später seien die ersten wieder ins Dorf zurück gekehrt. Verletzte waren nicht zu beklagen, doch die Lava zerstörte einen Großteil der umliegenden Anbauflächen. Für die meisten der Rückkehrer bedeutete dies einen Neuanfang.
Wie für Marisa. Sie erfüllte mit dem Aufbau der Poseida Marisa, einer eigenen Pension im Ort einen lang gehegten Traum. Die zehn Zimmer und das Restaurant bestellt sie zusammen mit ihrer Schwester und den beiden Cousinen. Damit zeigt sie den anderen Frau im Dorf, wie es gehen kann, auf eigenen Beinen zu stehen.
Auch Mustafa ist zum Hoffnungsträger für viele junge Männer in Chã geworden. Er übt mit ihnen das Bouldern, das Klettern ohne Seil und Gurt, lehrt sie als Führer auf Tour zu gehen und die Geschichte ihres Pico zu erzählen. Mustafa spricht wie ein Vater über seine „Jungs“. Abends, wenn die Sonne hinter der Bordeira versinkt und nur noch der nahe Stromgenerator brummt, steht er mit ihnen vor der Poseida seiner Frau und verteilt Tipps für den nächsten Morgen, wenn sie bei Sonnenaufgang mit Touristen zur Besteigung des Pico aufbrechen, dem mit 2829 Metern zweit höchsten Berg im Nordatlantik. So schön der Aufstieg auch ist, Mustafa liebt vor allem den Abstieg, der bei ihm zur Abfahrt gerät. Mit seinem Snowboard schweift er elegant die 1000 Höhenmeter über das Aschefeld hinab – ein regelrechter Pistenspaß. Andere hüpfen oder rutschen herunter und lassen sich vom Staub einlullen.
Der Weg ins Dorf führt vorbei an bizarren Stricklava-Formationen. Im Hintergrund türmen sich die Lavafelder der letzten Ausbrüche aus den Jahren 1951und 1995 – die älteren Felder dunkler, die jüngeren heller. Im Ort grüßen die Bewohner scheu bis freundlich. Die niedrigen Häuser aus Naturstein sind einfach gebaut, selten verputzt. „So gelten sie als nicht fertig und sind steuerfrei“, erklärt der Kraterbewohner. Auf den Dächern befinden sich kleine Sammelflächen, in denen das wenige Regenwasser gesammelt wird. „Im September hat es den ganzen Monat geregnet“, sagt Mustafa, „das muss für ein ganzes Jahr reichen.“
Zuhause in der Poseida Marisa herrscht rege Betriebsamkeit, das letzte Licht vor Sonnenuntengang wird genutzt. Gemüse von den Feldern der fruchtbaren Vulkanerde ist bereits geerntet und eine besondere Speise zubereitet, dazu einen fruchtigen Cha do Fogo von der benachbarten Weinkooperative. Und während Mustafa mit Sohn Sam auf die Veranda zu seinen Jungs verschwindet, erzählt Marisa mit eigenen Worten, wie es war damals in der Nacht vom 2. auf den 3. April 1995 als erst die Erde bebte und dann sechs Wochen lang die Lava strömte …
Übernachtung und Führung
Casa Marisa
Chã das Caldeiras
Fogo, Cabo Verde
Tel:+ 238 2821662
amarisa.lopez@gmail.com
www.fogomarisa.com
Anreise:
Mit TAP Portugal von München oder Frankfurt nach Lissabon, weiter nach Praia auf Santiago ab 640 Euro pro Person hin und zurück incl. Steuern und Gebühren. Weiter mit Cabo Verde Airlines (TACV) oder per Schiff nach Fogo.
Infos über Sao Felipe, Hauptstadt von Fogo, auf der deutschen website: www.sao-filipe.com
Aluguer, Sammeltaxi, von São Filipe nach Chã das Caldeiras: morgens ab Mercado Municipal (500 Escudos)
Schloss Ulrichshusen: Klassische Konzerte in der Scheune
Nach der Wende erwarben die Maltzahns den alten Adelssitz der Familie zurück und bauten ihn in zwei Etappen wieder auf. Entstanden ist ein Schlosshotel in malerischer Landschaft. Dort schlägt zugleich das musikalische Herz der Festspiele Mecklenburg Vorpommern.
Selbst Yehudi Menuhin schwärmte in hohen Tönen. Die Akustik in der ehemaligen Feldsteinscheune, dem heutigen Konzertsaal, hatte es ihm angetan. Deswegen kam er nach seinem ersten Konzert im Jahr 1995 auch jedes Jahr wieder nach Schloss Ulrichshusen bis zu seinem Tod 1999. Doch der berühmte Dirigent reiste nicht nur der Musik wegen hierher. Alla von Maltzahn, die – ganz Gutsherrin – ihre Besucher auf der Terrasse des Restaurants „Am Burggraben“ empfängt, weiß: Der Musiker liebte die mecklenburgische Landschaft mit ihren Seen und Schlössern, und ihrer Abgeschiedenheit.
Knapp über 30 Einwohner zählt Ulrichshusen, benannt nach Ulrich von Maltzahn, der hier im Jahr 1562 für sich und seine zwölf Kinder das Wasserschloss bauen ließ – das „Hus von Ulrich“. Heute ist der Familiensitz von einst ein begehrter Festspielort, den jährlich 50.000 Besucher aus nah und fern besuchen. Dazwischen liegen über 400 Jahre bewegter Geschichte. Und fast zwanzig davon hat Alla von Maltzahn, eine Nachfahrin von Ulrich, miterlebt.
Bis auf die Grundmauern abgebrannt
Zur Wendezeit war sie mit ihrer Familie von ihrem damaligen Wohnort Frankfurt am Main in die Mecklenburgische Schweiz gereist um auf den Spuren ihrer Vorfahren zu wandeln. „Als wir ankamen, fanden wir vor, was wir hier sehen können“, und die Hausherrin zeigt auf eine Historientafel, die ein bis auf die Grundmauern niedergebranntes Schloss zeigt. Geschehen im Februar 1987, Ursache ungeklärt. Doch davon ließ sich die Familie nicht abschrecken. 1993 erwarb sie das Anwesen inklusive der Wirtschaftsgebäude von der Gemeinde.
Weil es für das abgebrannte Gebäude keine Denkmalschutzauflagen gab, hatten die Bauherren dann auch weitestgehend freie Hand. Es entstand ein Festsaal, der heute 400 Besuchern Platz bietet. Sichtbares Highlight des Renaissance-Schlosses ist die Glaskuppel im Turmhaus – hier frühstücken heute die Gäste. Und blicken von dort auf die „Konzertscheune“, wo sie am Abend zuvor vielleicht noch den Berliner Philharmonikern gelauscht haben. Bis zu 24 klassische Konzerte mit namhaften Orchestern und Solisten locken im Sommer und zur Adventszeit in das ehemalige Wirtschaftsgebäude. Die Entwicklung der Festspiele bezeichnet die gelernte Gymnasiallehrerin als Beginn einer “glücklichen Ehe“ und als „Glücksfall für Ulrichshusen“.
So ganz zufällig kamen die Festspiele natürlich nicht nach Ulrichshusen. Helmuth von Maltzahn kannte die Entscheider in der Festspielleitung, Matthias von Hülsen und Justus Frantz. „Wir wollten Aufmerksamkeit für den Ort Ulrichshusen herstellen, Künstler sollten den Ort attraktiv machen“, erzählt er, „und die Festspielleitung suchte einen Ort, der kulturhistorisch wertvoll ist, etwas abgelegen ist, durch die Lokalitäten genügend Möglichkeiten bietet und dessen Besitzer sowie das Dorf engagiert sind.“
Und wie engagiert sie waren, die Dorfbewohner. „Jeder, der keine Arbeit hatte, machte mit. Einige bauten Ferienwohnungen, andere engagierten sich beim Aufbau des Gutes“, Alla von Maltzahn gerät regelrecht ins Schwärmen wenn sie an die Aufbruchsstimmung jener Jahre denkt. Die Kultur habe in diesem Fall mal die Wirtschaft beflügelt, meist ist es ja umgekehrt.
Als der Saal noch eine Baustelle war, füllten bereits Geige, Oboe, Pauke und Posaune die Akustik der Scheune. „Damals noch mit Löchern im Dach“, erinnert sich von Maltzahn. Bei Regenneigung blickte man immer ängstlich zum Himmel. Doch wenn ein Star-Dirigent wie Menuhin den Taktstock schwang, nahm man die paar Tropfen natürlich gern in Kauf.
Mehr Informationen
Schloss Ulrichshusen
Seestraße 14
17194 Ulrichshusen
Tel.: 03 99 53 / 79 00
Fax: 03 99 53 / 790 99
www.ulrichshusen.de
info@ulrichshusen.de
Tourismusverband Mecklenburg Vorpommern e.V.
Platz der Freundschaft 1
18059 Rostock
Tel.: +49 (0)381 40 30-550 Fax -555
www.auf-nach-mv.de
info@auf-nach-mv.de
Festspiele in Mecklenburg-Vorpommern:
www.festspiele-mv.de
kartenservice@festspiele-mv.de
Tel.: 03 85/5 91 85 85
Stewart Island: Autodidaktin im Regenwald
Neuseeland gilt als Ende der Welt, doch wer kennt schon Stewart Island. Der letzte Vorposten der Antarktis ist ein einzigartiges Tier- und Pflanzenparadies. Wer herkommt möchte bleiben, wie Furhana Ahmad, die bezaubert war und sich jetzt ein Kiwi nennt.
Leicht schwankend setzt die kleine Propellermaschine auf. Sofort pirscht der wartende Kleinbus auf die Landebahn und nimmt die neuen Gäste an Bord. Neun Besucher plus Gepäck. Hochkonjunktur auf Stewart Island im März. Kaum zehn Minuten braucht man bis zum Fischerdorf Oban in der Half Moon Bay, der einzigen urbanen Siedlung der Insel bestehend aus Hotel, Imbissstand, mehreren Pensionen, einem Restaurant, vereinzelten Häusern – und dem Strand und Hafen, in dem die Boote ruhen.
Erfolgreiches Kiwi Spotting
Dort sind wir verabredet. Leicht verspätet und verschwitzt eilt sie gestikulierend herbei, „hatte letzte Nacht noch eine Gruppe aus England“, sagt Furhana, die Wildnisexpertin, hechelnd und spricht vom erfolgreichen Kiwi Spotting. Nirgends sei die Chance größer den Nationalvogel in freier Wildbahn zu sehen als auf Neuseelands „dritter Insel“, besonders nachts. Denn überall sonst werden die flugunfähigen Tiere mit dem langen Schnabel von Ratten, Katzen oder Possum bedroht. „Nicht auf Stewart Island“, sagt Furhana energisch, zu unberührt sei die Region und so ursprünglich wie vor Jahrtausenden.
Gut gelaunt ist sie und voller Tatendrang. Sie hat ihren Traumjob gefunden, dafür nimmt sie einiges in kauf. Sie führt Vogel- und Naturbegeisterte über verschiedene Tracks durch diese Wildnis, die zu 87 Prozent den Schutz als Nationalpark genießt. Schnell das Gepäck aufs Boot verlagert, mit roten Wangen und voller Temperament reicht sie das Tour-Care Package mit Sandwich und Früchten hinüber, während das Wasser Taxi Ulva Island ansteuert – dem Paradies aus Vögeln und Pflanzen.
Vor sieben Jahren habe es sie erwischt, erzählt die gebürtige Britin indischer Abstammung, auf einer Reise durch Neuseeland. Mehrere Monate sei sie damals unterwegs gewesen und später zurück in London konnte sie an nichts anderes mehr denken. Stewart Island, von den Ureinwohnern der Maori auch Rakiura oder Land der glühenden Himmel genannt – hierhin musste sie zurück kehren, in diese Welt aus 300 Menschen, exotischen Regenwäldern und einer Vogelwelt, wie es sie nirgendwo sonst auf der Welt gibt. „Magisch anziehend“ fand sie diese letzte Landmasse vor der Antarktis – die diplomierte Geografin mit gut dotiertem Job im Zentrum der westlichen Welt.
„Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen“, berichtet sie Sandwich kauend am Strand von Sydney Cove auf Ulva Island, immer mit dem Blick aufs Meer und einem Ohr im Regenwald. „Am Anfang war ich einfach nur begeistert“, bekennt die quirlige kleine Frau mit den entschlossenen warmen Augen, das habe ihr die Kraft gegeben, hier einzutauchen. Buch für Buch hat sie sich die Charakteristiken über Flora und Fauna angeeignet, immer mit dem Wunsch es so gut zu verstehen, dass sie ihr Wissen an andere weiter geben kann. Heute kennt sie jedes Tier, jede Pflanze mit lateinischem Namen.
„Da vorn“, ruft sie und ermahnt mit dem Zeigefinger zur Ruhe „das ist der Stewart Island Robin, mein Lieblingsvogel“. Kaum hat sie ihn entdeckt beginnt sie ein leises Zwiegespräch, wie zwei alte Bekannte, die sich viel zu sagen haben. Irgendwann schaltet sie um und erzählt weiter über die „Bewohner“ dieses 250 ha großen Paradieses, einer von mehreren kleinen Inseln in der lang gestreckten Paterson-Bucht von Stewart Island. Von überall her tönen die Rufe der Tui und Makomakos, man sieht Kaka, Weka, Kakariki und Kereru. Immer wieder schleicht sie wie ein Jäger ins Farngestrüpp, hält inne und zeigt den nächsten Piepmatz in Reichweite. „Hier gibt es keine natürlichen Feinde“, erklärt Furhana diesen bunten Tummelplatz unterschiedlichster Vogelarten. Durch massiven Einsatz von Fallen und Gift sei das Eiland jetzt frei von Raubtieren wie Ratte und Possum. Sie hätten sonst die Pflanzen als Lebensgrundlage der Vögel zu Tode genagt.
„Der Regenwald ist ein endloses Kapitel“
Zielstrebig schreitet sie voran über knorrige Wurzeln, üppige Farne und bemooste Stämme durch den „forest on top of the forest“, so nennt sie jenes Dickicht aus undurchdringlichem Urwald mit hochgewachsenen jahrhundertealten Bäumen umzingelt von einer wuchernden Pflanzenlandschaft. Immer wieder hält sie inne, lauscht, verweist, ist verwundert und verzückt – man könnte meinen, sie ist hier zum ersten Mal, so euphorisch ist sie. Aber sie macht die Tour im Sommer fast täglich, doch von Routine keine Spur. Im Winter geht sie selbst auf Entdeckungstour. „Der Regenwald ist ein endloses Kapitel“, sagt sie und man glaubt es ihr sofort. Ihre Begeisterung steckt an, ist mitreißend und nach vier Stunden Trekking hat man sich an die Klangwelten des Regenwaldes gewöhnt.
Aus der Ferne gesellt sich bald ein gleichmäßiges Rauschen dazu – das Meer kündigt sich an und irgendwann tut sich einer dieser Strände auf mit jenem feinen weißen Sand und einem wie gemalten meeresblau – natürlich ganz ohne Menschen. Man möchte hinein springen in diesen Ozean, doch ein Blitztest per Hand macht schnell klar: hier kündigen sich bereits polare Vorboten an – Stewart Island bildet die letzte Landmasse vor der Antarktis. Den Blick gen Horizont gerichtet, den Wanderstock in der rechten, bläst Furhana ein eiskalter Wind ins Gesicht. Sie genießt diesen Augenblick und taut mehr und mehr auf. Einfach sei es nicht als Frau hier auf der Insel, bekennt sie, auch wenn sie eigentlich multikulturelles Leben aus London gewohnt sei. „Hier zählt das alles nichts“, sagt sie. „Ein eigener Mikrokosmos mit eigenen Regeln“, erklärt sie und man spürt ihre Skepsis, ob sie jemals Teil dieses Kosmos werden kann. Isoliert in einer Hütte im Wald lebt sie seit sieben Jahren mit Kiwi-Pass zurückgezogen mit ihren besten Freunden– der Natur und den Vögeln.
Zurück ins alte Leben? Nein auf keinen Fall, sie will sich durchbeißen, weiter machen und anderen Menschen ein Stück dieses Paradieses zeigen, das es noch gibt. Darin sieht sie ihren Auftrag. Theater, Konzerte, Cafés und Kneipen – hat sie alles gehabt, vermissen tut sie es nicht, weil sie jetzt viel mehr hat als „Ablenkung und Zerstreuung“, wie sie es nennt. Inzwischen hat sie auch ein eigenes Boot gekauft, acht Personen passen da hinein, das macht sie unabhängiger. Mike, ein Fischer aus der Half Moon Bay macht mit, er watet das Boot, fährt sie auf die vorgelagerten Inseln des Archipels, unterhält die Besucher und teilt Furhanas Philosophie. „Powerful“ nennt er seine Chefin und weiß zugleich, dass sie es nicht leicht hat auf seiner Insel, die er selbst nie verlassen hat.
Mehr Information
www.newzealand.com
Ruggedy Range Wilderness Experience
170 Horseshoe Bay Road, P O Box 188, Stewart Island, New Zealand
Tel.: +64 3 219 1066
Fax + 64 3 219 1078
mail@ruggedyrange.com
www.ruggedyrange.com
Anreise
Flug mit Air New Zealand ab Frankfurt über London und Los Angeles nach Auckland pro Person hin und zurück für 1390,– Euro inkl. Steuern und Gebühren
Ho Chi Minh City: Zwischen Moped und Nudelsuppe
Die Menschen in Vietnam strotzen vor Optimismus und Charme. Am besten lässt sich das Lebensgefühl in Ho Chi Minh City, dem ehemaligen Saigon erleben. Auf den Straßen herrscht bizarres Verkehrschaos, auf den Märkten blüht der Handel und jeder lebt den Geist des Fortschritts auf seine Art.
„Hello“ rufen die Leute freundlich. Aus jedem Haus ein Lächeln, ein Gruß, ein Winken. Sie sitzen auf kleinen Zwergstühlen, schaukeln in der Hängematte, lassen sich rasieren, reparieren Mopeds, kochen Pho, Nudelsuppe, oder treiben Handel. „Der Handel macht die Menschen glücklich, jedes Haus ist ein Shop“, sagt David Bellman. Das Gefühl des Aufschwungs mache die Leute fanatisch, eine „Explosion an Möglichkeiten“.
Als der gebürtige Kanadier 1995 als Englischlehrer nach Saigon kam, war davon kaum etwas zu spüren. „Wie ein Exot“ habe er sich gefühlt, erzählt der 38-jährige, aber schon damals seien die Neugierde und Gastfreundschaft der Menschen groß gewesen. Davon profitieren auch heute die über fünf Millionen internationale Touristen, die die ehemalige französische Kolonie mittlerweile pro Jahr bereisen. „Doi Moi hat es möglich gemacht“, liefert David den entscheidenden Grund. Es meint die Erneuerung des Wirtschaftssystems seit 1986. Aus der Kommandowirtschaft wurde ein Wirtschaftssystem mit stark marktwirtschaftlicher Prägung. Aus einem Land mit Hungersnot entwickelte sich einer der größten Exportnationen für Nahrungsmittel weltweit. Die Nummer zwei bei Kaffee und Reis und aufstrebend bei Pfeffer, Tee, Cashew-Nüssen, Meeresfrüchten, Fisch und Kautschuk. Und bei dieser Erfolgsgeschichte soll es auch bleiben – wenn es nach den Menschen geht. „Hier spricht oder klagt keiner über Politik“, sagt David, „Hauptsache es gibt keine Hindernisse.“
Der Mann aus Montreal mischt kräftig mit beim Wachstum. David unterrichtet kein Englisch mehr, er spricht jetzt fließend vietnamesisch und berät die Menschen in der Landwirtschaft – hier arbeiten immerhin noch 60 Prozent der Bevölkerung. Vor ein paar Jahren gründete er mit Linh, seiner vietnamesischen Frau, eine Food Company und beschäftigt mittlerweile 84 Mitarbeiter. „Alle sind hochmotiviert, sehr lernwillig und ehrgeizig“, skizziert der Unternehmer mit einem Strahlen. Vor allem Fischereiprodukte seien inzwischen zu einer der wichtigsten Säulen von Vietnams Exportwirtschaft geworden. „Anders als beim Reisanbau lässt sich hier das zehnfache verdienen“, weiß David. Er mag die Menschen seiner Wahlheimat und ist froh, dass jeder vom Aufschwung profitiert – „selbst die ärmsten“. Er schätzt ihre Bereitschaft zum Risiko und weiß, dass sie „jede Schwierigkeit bewältigen“.
Das beweist auch der Blick auf Saigons Lebensadern eindrucksvoll: Da rauschen die mehr als 2,5 Millionen motorisierten Zweiräder pausenlos durch die Straßen der 7-Millionen-Metropole und zeigen dabei reichlich Geschick. Grundregel Nummer eins: „niemals stoppen“ – das unterbricht den Fluss und macht unberechenbar. Regel Nummer zwei: hupen was das Zeug hält. Manche haben beim Fahren besonderes Talent. Nicht selten werden Türen, Fenster, Schränke, sperriges Baumaterial auf den kleinen Flitzern transportiert – und selbst bei diesen waghalsigen Aktionen darf eine gewisse Eleganz nicht fehlen. Unsichtbar dafür aber deutlich zu riechen ist der Gestank, den die Schar der Motorisierten tagtäglich produziert.
Die meisten wappnen sich mit Mundschutz gegen die Abgase. Bei den Frauen hat es noch einen anderen Grund: „Eine Art Phobie, ihre Haut soll weiß bleiben, so will es das Schönheitsideal“, klärt David auf. Der Verkehr ist eine tickende Zeitbombe und eine Lösung nicht in Sicht. „Wir leben ganz einfach damit“, sagt David leicht gequält und fügt hinzu: „Das Moped ist Ausdruck des neuen Lebensgefühls.“ Was für den Touristen ein faszinierendes Schauspiel ist, dürfte spätestens in ein paar Jahren zu einem ernsthaften Kollaps führen. Erste Maßnahmen versprechen wenig Änderung: Die Stadtverwaltung erstattet die Hälfte des Buspreises, aber lieber fährt man zu viert oder fünft auf der kleinen Honda und ist mit dabei im Spektakel des unendlichen Fahrrausches. Auch die Pläne für eine U-Bahnlinie liegen mangels finanzieller Mittel weiter in der Schublade.
Rasantes Bevölkerungswachstum
Im Ben-Thanh-Markt herrscht reges Treiben: Frauen schneiden Fleisch, säubern Fische, sortieren Ware, Männer schleppen Kisten und auch hier finden die flinken Mopeds mit einem krächzenden Hupton ihren Weg durch die Menge. In den schmalen Gängen türmen sich Porzellan, Textilien, Gemüse und Gewürze. Mütter tragen Kinder im Arm, sie sitzen auf dem Boden vor der improvisierten Garküche. Kinder sind überall: Wer in einem Bus sitzt wundert sich, dass kaum ein Fahrgast über 30 ist. „Jedes Jahr kommen eine Millionen Vietnamesen hinzu“, so Davids lakonischer Kommentar zum rasanten Bevölkerungsentwicklung.
Auch sie werden eines Tages Handel treiben und die unzähligen Einkaufsstraßen mit Läden allen Bedarfs bevölkern. „Jede Straße bietet ein bestimmtes Produkt“, sagt Dung in perfektem Deutsch. Er sitzt am Nebentisch und schlürft seine Nudelsuppe mit Rindfleisch. Dung gehört zu den mehr als 70000 Vietnamesen, die in der DDR studiert und Deutsch gelernt haben. In manchen Straßen gebe es nur Näh- oder Bohrmaschinen, in anderen nur Staubsauger, in den nächsten Kräuter- und Tees, erzählt er. Und wie überlebt man bei solcher Konkurrenz? „Das Prinzip heißt kaufen und verkaufen – immer und überall.“
Mehr Information
TUI Rundreise „Südvietnam Kaleidoskop“, 8 Tage mit Anschlussaufenthalt, ab/bis Frankfurt mit Vietnam Airlines, Stationen: Saigon, Can Tho, Dalat
http://www.studienreisen.de/studienreise_124426.html
Hotline: 06373-811728