Sanft begrünte Dünen, bunte Blumenwiesen und Gibraltar stets im Blick – im Herbst zeigt sich die Playa Bolonia und Umgebung von ihrer schönsten Seite
Träge weiden die Rinder auf den flachen, leicht begrünten Dünen. Dahinter türmt sich der Sand zu einem Berg empor, bevor er in einen weiten Pinienwald übergeht. Ich sitze auf der Holzterrasse eines „Chiringuito“, einer Strandbar, und genieße fangfrisches Thunfischfilet. Ein Farbenspiel aus kräftigem Blau des andalusischen Himmels, smaragdgrünem Atlantik und goldgelbem Sand begleitet meine Mahlzeit. Zwanzig Jahre sind seit meinem letzten Besuch vergangen. Ob die Playa Bolonia immer noch ein Geheimtipp ist?
Frisch ist noch die Erinnerung: Mitte Oktober – wie jetzt – die Wiesen nach viel Regengüssen wieder saftig grün, die Luft klar und erfrischend. „Von der carretera nach Tarifa geht es irgendwann rechts ab“, so lautete der Tipp eines Barmanns in Cadiz. Nur ein vergammeltes Schild am Straßenrand zeigte die Richtung an, immer weiter führte die Straße durch hügeliges Weideland gen Westen. Hier und da eine kleine Finca, in der Ferne die Ausläufer der Sierra de la Plata und irgendwann folgten die ersten Häuser einer Siedlung – das war Bolonia vor 20 Jahren. Und heute?
Die römischen Ruinen „Baelio Claudia“
„Bolonia hat sich kaum verändert“, erzählt Fernando. Er ist hier aufgewachsen und wohnt jetzt im 15 Autominuten entfernten Tarifa. „Einige Läden, ein paar schickere Restaurants und Hostales – mehr nicht.“ Nur der Rummel um Baelio Claudia, den römischen Ruinen gleich hinter dem Strand, habe kräftig zugenommen. Die Überreste einer römischen Stadt mit Forum, Isis-Tempel, Theater und Badeanlagen locken immer mehr Touristen an. „Immerhin eine der best erhaltenen römischen Siedlungen Spaniens“, weiß mein Freund. Doch die Schönheit, das Licht und die Aussicht sind gleich geblieben. Vom Strand aus klettere ich die felsige Landzunge hinauf und mich packt derselbe Blick wie damals: Die nahe Küste Afrikas und die fernen Berge des Atlas senden einen stummen Gruß nach Europa.
Im Juli und August komme der große Ansturm, dann erwache Bolonia vorübergehend, berichtet Fernando. „Der Strand ist dann gut gefüllt“, erklärt er. Ab Oktober versinke es wieder in seinen vom Atlantikwind beherrschten Rhythmus. Erst Ende März kommt das Leben nach Bolonia zurück.
Ich wohne bei Antonia. Ihre Hostal liegt direkt am Meer, auf der kleinen Veranda mit Strandblick gibt es zum Frühstück Kaffee mit tostadas con aceite, Toast mit Olivenöl. Antonia summt leise vor sich hin und freut sich über ihre ersten Gäste. Heute ist sie besonders gesprächig und verteilt Tipps am laufenden Band. Sie spricht etwa von den „pueblos blancos“, den weißen Dörfern im Hinterland.
Ausflug zu den „pueblos blancos“ im Hinterland
Auf halbem Weg nach Cadiz liegt Vejer de la Frontera auf einem Hochplateau. Wie ein weißer Klecks auf grauem Hintergrund schmiegt sich Vejer an das Felsgestein, neun Kilometer von der Küste entfernt. Fast perfekt erscheint das Weiß der Häuser. „Die gekalkten Wände reflektieren die Sonne“, erklärt Fernando, „so heizen sich die Wohnräume nicht zu Glutöfen auf.“
Die historische Altstadt umgibt eine lange Stadtmauer, unterbrochen von vier Stadttoren und drei Türmen. Ein Bummel durch die engen Gassen führt vorbei an kleinen Läden mit Handwerksarbeiten aus der Region – Ledertaschen und Schnitzereien in reicher Auswahl. Auf der Plaza de Espana, die früher als Stierkampfarena diente, lockt ein von Palmen umgebener Brunnen zur Rast. Vejer sei nicht nur schön, es heiße auch so, sagt die alte Frau auf der Parkbank mit einem Lächeln: „El pueblo mas bonito“ – das schönste Dorf. Diesen wohlklingenden Titel trage Vejer schon seit 1978, erzählt sie stolz.
Einst besiedelten die Römer Vejer, gefolgt von den Westgoten, bis es dann über 600 Jahre in maurischer Hand war. Aus dieser Zeit stammt auch das Castillo, die ehemalige maurische Burg aus dem 11. Jahrhundert. Auf dem höchsten Punkt der Altstadt angelegt, bietet sie alle strategischen Vorteile einer Weitsicht auf Küste und Hinterland.
Auf der „ruta de los toros“
Durch fruchtbares Acker- und Weideland führt die Straße weiter landeinwärts über die „ruta de los toros“ nach Medina Sidonia. Entlang der Straße grasen dutzende schwarzer Kampfstiere auf sattgrünen Wiesen. „Hier gibt es die weitaus besten Zuchtbetriebe für toros“, klärt Fernando auf.
Wie Vejer wurde die uralte Siedlung Medina Sidonia strategisch auf einem Hügel angelegt, ebenso oft war sie umkämpft. Durch das Hufeisentor Arco de la Pastora schreiten wir vorbei an Holz- und Tonwerkstätten zur höchsten Stelle des Ortes: Hier liegen die Reste der einstigen Burg und die Kirche Santa María aus dem 15. Jahrhundert mit ihrem eigenwilligen Stilmix aus Gotik und verspielt wirkender isabellinischer Renaissance. In den Gassen ist es ruhig, kaum ein Tourist scheint Medina entdeckt zu haben. Nur aus den vereinzelten Bars dringt das typische Zischen der Kaffeemaschine und die hektischen Stimmen der Gäste. Von den Ruinen der alten Festung schweift der Blick über die ausgedehnten Getreidewiesen – am Horizont flimmert das Wasser des Atlantik.
Auch in Alcalá de los Gazules hinterließen Römer und Araber ihre Spuren – zugleich gilt das weiße Dorf als das Tor zum Korkeichen-Naturpark von Los Alcornocales. Von hier aus windet sich die kurvenreiche Straße Richtung Ubrique kilometerweit durch Korkeichenwälder. 160000 Hektar mediterraner Wald – kaum einmal begegnet uns ein Hirte mit Ziegen und Schafen, selten nur können wir ein Gehöft in der Ferne ausmachen.
Am Abend genießen wir das Rauschen des Atlantiks und bei einer Dorada à la plancha, gegrillte Goldbrasse, erzählen wir Antonia von den Eindrücken des Tages. Sie lächelt und serviert noch einen leckeren Wein. Eine gute Idee zurückzukommen, denke ich.
Mehr Information
Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin
Tel. 030/8826-543, E-Mail: berlin@tourspain.es www.tourspain.es
Übernachtung
Playas de Bolonia: www.playasdebolonia.com