Angefangen hat alles im Kormoran. Jenem kleinen Fisch-Restaurant in Lauterbach auf Rügen, nahe den Schwimmenden Häusern. Wir saßen direkt unterhalb eines großen Bildes, das ein Segelschiff in stürmischer See zeigt. Passender Anlass für ein paar Worte über die Faszination des Segelns und darüber, dass in Lauterbach regelmäßige Kurse stattfinden, die das Segel-ABC innerhalb einer Woche vermitteln.
Das ging mir fortan nicht mehr aus dem Kopf. Fünf Monate später lernte ich auf dem Greifswalder Bodden anzuluven, zu fieren, zu wenden und zu halsen. Alles unter der Ägide von Robby, dem Lehrer aus Sachsen. Genau der richtige Mann, um das Tor zur Segelwelt zu öffnen. Sein Glühen in den Augen, sein witzig-herzlicher Ton, seine praktische Art, die von vielen Jahren seemännischer Erfahrung zeugte – all das trug maßgeblich dazu bei, dass ich nicht genug bekam von der Kraft des Windes und meiner wachsenden Fähigkeit diese zu nutzen. Je mehr Krängung die Jolle hatte, umso begeisterter war ich.
Mit den ersten Segelfertigkeiten und stolz auf den Segelschein in der Tasche sollten mir fortan die Seen rund um München ein neues Terrain für meine neue Leidenschaft bieten. Ich wollte unbedingt meine Kenntnisse vertiefen und Praxis sammeln. Das klappte auch nicht schlecht. Doch mit vier oder fünf weiteren Segelschülern an Bord kommt man auf Dauer nicht übers Schnuppern hinaus. Zu wenig für meine gerade entfachte Segellust. Ich wollte mehr, wollte ein eigenes Boot und damit so viel kreuzen wie nur möglich. Gut zwei Jahre studierte ich die Kleinanzeigen, testete Jollen oder kleine Kajütenboote, doch am Ende wurde die vergebliche Suche nach einem Bojenplatz zum Killer meiner Träume.
Also erweiterte ich den Radius. Und so stieß ich im Spätsommer 2014 auf die SeeQ. Ein Folkeboot nach dänisch-schwedischem Vorbild passend für das Segeln auf der Ostsee konstruiert. Die SeeQ wurde 1961 in der DDR gebaut, ein sogenanntes Volksboot. Ich wurde in demselben Jahr geboren – das verbindet. Der Besitzer, ein begeisterter Segler und Anwalt aus Berlin, wusste mit seinen Geschichten aus 15 Jahren rund um die SeeQ dem Boot eine besondere Aura zu verleihen, eine Art unsterbliche Note und den Hauch einer Perle der Ostsee, gerade auch angesichts ihres Alters. Lang überlegt habe ich daher nicht, ich empfand die Entdeckung der SeeQ als Wink zur richtigen Zeit. Auch wenn die Marina Kröslin, der Heimathafen in Mecklenburg Vorpommern vis-á-vis der Insel Usedom liegt, knapp 1000 Kilometer von München entfernt.
Dann die Jungfernfahrt Ende September. Ein schöner sonniger Spätsommertag mit strahlend-blauem Himmel und genau der richtigen Brise Wind, die man baucht, um spätnachmittags noch in drei Stunden bis nach Lubmin zu segeln. Kurz bevor die Dämmerung einsetzte, erreichte ich den Hafen von Lubmin, kehrte ein ins „Vaterland“, einem alten zur Kneipe umfunktionierten Kutter, der ideal für einen abendlichen Imbiss war. Doch das war nicht alles. Unweit des Hafens am weiten Strand feierten die Einheimischen den Ausklang der Saison, ich geselllte mich dazu und erfuhr viel über die Region und ihre Bewohner. Ein idealer Vorgeschmack für meine künftigen Segeltouren.
Nach meiner ersten Nacht an Bord bei klarem Mondschein zeigte sich der Morgen neblig und ohne jede Windzug. Wie gut, dass die SeeQ über einen Motor verfügt. So kehrte ich mit gerefften Segelen langsam tuckernd in den Heinmathafen Kröslin zurück. Es war der Beginn einer Freundschaft. Nach dem ersten Törn war die SeeQ mehr als nur ein Boot, sie wurde zur Gefährtin. Jetzt liegt sie erstmal im Winterlager. Und im Frühjahr hat sie einen Termin in der nahe gelegenen Bootswerft Freest, wo die Spezialisten im Holzbootsbau ihr ein paar neue Spanten und Bodenwrangen verpassen werden. Dann bleibt nur noch die Hoffnung auf günstige Winde für viele weitere Törns, vor allem rund um Rügen. Und irgendwann bis nach Schweden.