Ende der 1960er Jahre spielten sich hier die entscheidenden Kämpfe im Vietnamkrieg ab. Heute pilgern Tausende von Besuchern aus aller Welt zu den Tunneln von Cu Chi.
„Die Amerikaner verzweifelten daran, dass der Gegner für sie unsichtbar war“, sagt Dung Cheng. „Da halfen auch die modernsten Waffensysteme nicht“, bemerkt er stolz. Und er weiß wovon er spricht. Als knapp 20-jähriger kämpfte Dung auf Seiten der Vietcong gegen die US-Streitkräfte. Wenn er heute deutsche Touristen über das Terrain führt, wird die Erinnerung immer ein Stück lebendig. Dungs Stimme verändert sich, sein Blick verrät Trauer. Nach einer kurzen Pause erzählt er weiter. Davon, wie er und seine Mitkämpfer damals überlebten.
200 Kilometer umfassendes Tunnelsystem
„Wir lebten unter der Erde“, sagt Dung, „teils monatelang.“ In den Tunneln rund 40 Kilometer nordwestlich von Saigon, dem heutigen Ho Chi Minh City gelegen, entstand ein gigantischer unterirdischer Lebensraum. Hier wurde geschlafen, gekocht, gearbeitet, versammelt und operiert. Dank des lehmigen festen Bodens sei das weit verzweigte Netz von Wegen immer weiter ausgebaut werden – bis zu 200 Kilometer erstreckte sich das System aus 80 Zentimeter hohen und 60 Zentimeter breiten Röhren. „Und wir haben an alles gedacht“, bemerkt der heute 61-Jährige Dung. An den Rauch in den Küchen, der zerstäuben sollte, damit er die Stellungen nicht verrät. An die Eingänge, die mit Falltüren verschlossen und getarnt waren. Hinter Attrappen verbargen sich dort angespitzte Bambusrohre, die Eindringlinge aufspießen konnten. An die Wasserversorgung, die durch alle zwei Kilometer errichtete Brunnen organisiert war. „Durch Klapptüren, die mit Laub und Gras bewachsen waren, gelangten wir nach draußen.“
Meist seien die Tunnel auf drei Ebenen verlaufen, erzählt Dung weiter. Vier, sechs und acht Meter unter der Oberfläche. Durch die engen Röhren habe man sich gebückt fortbewegt. Sandalen aus Gummireifen und die leichte Uniform der Vietcong hätten dies begünstigt. Schon im Krieg gegen die französischen Kolonialherren seien erste Tunnel entstanden – sie sollten Waffen, Vorräte und Menschen schützen. In den 1960er Jahren entwickelte sich das unterirdische Röhrensystem dann zunehmend zu einer Kampfbastion der nordvietnamesischen Rebellen. „Als die US-Truppen nahe Cu Chi das Hauptquartier der 25. Division errichteten, wussten sie nicht, dass wir nur sechs Meter unter ihnen lauerten“, sagt Dung mit einem listigen Augenaufschlag. Erst 1966 hätten die Amerikaner das ganze Ausmaß des Tunnelkomplexes entdeckt. Die Folge: Sie bombardierten das Gebiet großflächig, streuten schnell wachsende Grassamen aus, zündeten das Gras an und warfen Napalm und andere chemische Kampfstoffe. „Doch erobern konnten sie die unterirdischen Räume nicht“, macht Dung klar.
Falsche Fährten verwirrten die deutschen Schäferhunde
Also ging der Kampf weiter. Und wie? „Wir haben US-Bomben entschärft, bearbeitet und dann wiederverwertet“, erinnert sich Dung. Zudem seien immer weitere Fallen gebaut worden. Wegen ihrer Körpergröße hätten die Amerikaner nicht in die engen Röhren gepasst. „Sie versuchten es mit deutschen Schäferhunden vom Bundesgrenzschutz“, bemerkt der ehemalige Vietcong. Doch falsche Fährten leiteten die Hunde in die Irre. „Wir legten Kleidungsstücke von Amerikanern vor die Eingänge – das irritierte die Tiere“, sagt Dung. Dann seien kleinwüchsige Phillipinos und Koreaner in die Röhren geschickt worden –sogenannte „Tunnelratten“. Aber auch sie konnten die Widerstandskämpfer im Tunnel nicht besiegen.
90 Meter langes Tunnelstück ist für Touristen freigegeben
Heute ist das Terrain über den Tunneln ein Museum. In der Halle gleich am Eingang zeigen Landkarten mit Pfeilen den Kriegsverlauf und die Truppenbewegungen an, ein Video mit Original-Filmausschnitten in deutscher Übersetzung erzählt vom Kampf der Rebellen von Cu Chi. Über dem Fernsehbildschirm wacht ein Bild von Ho Chi Minh, dem Staatsgründer. Weiter geht es durch ein neu angepflanztes Waldstück vorbei an Bombenkratern, einem alten US-Panzer, an Soldaten, die verschiedene Fallenvarianten vorführen bis zu einer Stelle, an der sich aus dem Laub eine winzige Luke hervortut. Ein Soldat streckt den Kopf heraus und zieht seinen Körper langsam aus der engen Öffnung. Unweigerlich will man auch den Zugang über dieses Schlupfloch wagen. Einmal abgetaucht gelangt man in die Tunnelwelt, insgesamt 90 Meter lange Passagen, die für Touristen frei gegeben sind. Auch wenn die Gänge jetzt breiter sind, die Wände befestigt und die Belüftung verbessert, steigt der Respekt vor den Menschen, die in diesen feuchten, dunklen Röhren und Räumen lebten, mit jedem gerobbten Meter.
Vietcong zum Studium in die DDR eingeladen
Dung kennt das, er genießt diese Anerkennung, sie erfüllt ihn mit Stolz. Dass die Bevölkerung in der Region Cu Chi seither mit gewissen Privilegien wie den besten Straßen im Land ausgestattet wurden, sei nur gerecht, meint Dung. Und für ihn persönlich gab es auch eine Belohnung – sie kam aus Deutschland: Erich Honecker lud ihn zum freien Studium in die DDR ein. Dung nahm an und blieb fünf Jahre. Heute erzählt er den Deutschen vom Krieg.
Mehr Infos:
www.cuchitunnel.org.vn