Er gehört zu Deutschland wie das Auto, das Bier und das dunkle Brot. Aber ein Exportschlager ist er deshalb nicht. Im Gegenteil: er wird heute zu großen Teilen aus Vietnam und Indonesien importiert. Und trotzdem bleibt er des Deutschen liebstes Stück.
Besonders in einem Sommer wie diesem ist er Gold wert. Egal ob bei böigem Wind, gelegentlichen Schauern oder plötzlichen Gewittern – der Strandkorb bietet Schutz. Mehr noch: Er ist eine kleine Oase der Ruhe und Abgeschiedenheit. Jeder kennt die Bilder vom deutschen Nord- und Ostseestrand: wenn die Sonne vom blauen Himmel scheint, lümmelt der deutsche Urlauber sorgfältig eingeölt umgeben von einem Meer aus Zeitungen und Zeitschriften, ausgestreckt und selbstzufrieden in seinem kleinen Rückzugswunder. Er genießt den eigenen Schatten und die Windstille, hört in der Ferne das Meer rauschen. Und nimmt wie aus einer anderen Galaxy das Geschrei der Kinder beim Burgen- und Deichbau wahr. Bei durchwachsener Witterung klammert er sich an sein Buch oder sucht von seinem Korb aus den Horizont nach Schiffen ab und überlässt sich seinen Träumen.
Soweit das gewohnte Bild. Doch es gibt immer weniger Strände, wo man des deutschen „liebtes Kind“ mit dem Stempel „Made in Germany“ bewundern kann. „Bei dem Geschäft lohnt es sich kaum noch“, klagt Andreas F. vom Strandkorb-Verleih auf der Insel Usedom. Die Gewinnmarge werde immer kleiner, vor allem wenn der Sommer seine Kapriolen schlägt, gesteht der Usedomer. Auf der Ostseeinsel stehen sie aber noch, mal kreuz und quer, mal in Reih und Glied – die Körbe der Strandkorbmanufaktur Heringsdorf, jener ältesten Strandkorbwerkstatt, die 2007 auch durch den G8-Strandkorb in Heiligendamm auf sich aufmerksam machte.
Doch das sei allemal der lokalen Verbundenheit der Manufaktur geschuldet, meint der Strandkorbverleiher. Die Masse der Körbe an Deutschlands Stränden komme mittlerweile aus Fernost. Ein Grund dafür, warum die Heringsdorfer Korbmanufaktur, die Carl-Martin Harder vor mehr als 85 Jahren im nahen Wolgast auf dem elterlichen Grundstück gründete und 1933 nach Usedom übersiedelte, inzwischen ihr Geschäft stärker auf die individuelle Fertigung verlagert hat. „Ganz so, wie es der Kunde wünscht“, versichert Geschäftsführer Dirk Mund. Vom klassischen Strandkorb als Ein-, Zwei-, Dreisitzer oder im xxl-Format bis zum Gipfelkorb in Heiligendamm. Die Preise liegen von unter 1.000 bis zu 10.000 Euro.
Auch Körbe mit Sitzheizung, Massageeinheit, Sitze mit Edelstahlbeschlägen, unterschiedlichen Stoffen, eingebautem TV, Radio, und iPod-Anschluss seien zwar noch nicht alltäglich, doch die Nachfrage nehme stetig zu, bestätigen die Korbmacher einen Trend. Die Kundschaft stamme zu 90 Prozent aus Deutschland, 70 Prozent der Fertigung gehe an private Haushalte, der Export liegt bei knapp zehn Prozent, berichten die Heringsdorfer.
Genutzt werden sie auf Balkonen, Terrassen oder einfach nur as Augenweide im Garten. Dass der Strandkorb nicht nur am Strand seine Daseinsberechtigung hat, machte bereits Volker Finke, der ehemalige Trainer des Fußballklubs SC Freiburg in den 1990er Jahren vor: Er nutzte den Korb statt einer Trainerbank im heimischen Stadion.
Angefangen hat alles zu Kaisers Zeiten: Im Jahr 1882 bat die rheumakranke Elfriede Maltzahn den Korbmachermeister Wilhelm Bartelmann aus Rostock darum, ihr einen Korb für den Strand zu bauen. Das Ergebnis war ein hochgestellter einsitziger Waschkorb, der mit Stoff ausgeschlagen war. Schnell machte das Modell die Runde und bereits ein Jahr später eröffnete die geschäftstüchtige Ehefrau des Erfinders, Elisabeth Bartelmann, eine Strandkorbvermietung an der Ostsee in Warnemünde bei Rostock.
Damals wie steckt in der Manufaktur eines Strandkorbes jede Menge Handarbeit. Von der ersten Leiste an wird das Schmuckstück in der Werkshalle der Heringsdorfer individuell angefertigt. Ein Grund dafür, warum auch noch zehn oder zwanzig Jahre später Ersatzteile für die Schattenspender geliefert werden können. Insgesamt gibt es weit über zwei Millionen Variationsmöglichkeiten und Sonderanfertigungen, verkünden die Korbmacher.
Doch dies hat seinen Preis. Hohe Lohnkosten stehen für die ca. 40 fest angestellten Mitarbeiter, darunter Tischler, Polsterer, Korbflechter und Lackierer, zu Buche. Die Mitbewerber verlagern deshalb die Produktion in weniger lohnintensive Länder, in Deutschland finde nur noch die Montage statt, klären die Usedomer auf, die pro Jahr rund 4000 Einzelstücke herstellen, zu gewerblichen wie zu privaten Zwecken.
Und dies ganz im Sinne der überlieferten Vorgaben: „Wir haben ein gutes Verhältnis zur Gründerfamilie“, versichern die heutigen Chefs. Dazu gehöre auch, dass die handwerklichen Grundlagen von einst weiter eingehalten werden. Die Wurzeln bleiben gewahrt – in der Produktion wie in der Vermarktung. Eine wahrlich gute Nachricht für alle Standkorbfans.
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