Australien: Zum Lunch mit Casanova

Im Northern Territory Australiens gehören Krokodile zum täglichen Leben. Für ein Stück rohes Fleisch werden sie sogar zu Artisten.

Sie wuchtet zwei Eimer mit Büffelfleisch auf das Oberdeck. Mit sicherem Griff befestigt sie anschließend ein saftiges Stück Fleisch mit dickem Bindfaden an einer hölzernen Rute. Keine fünf Minuten vergehen und schon pirscht das erste Salzwasserkrokodil heran an das „Jumping Crododile Cruise“-Boot. Zeit für Kimberley Kerghleys Einsatz.  Gekonnt lässt sie die Rute mit dem Büffelfleisch über dem Wasserspiegel des Adelaide Rivers hin und her baumeln. Nur langsam bewegt sich das gut fünf Meter große Reptil auf die Beute zu. Dann verändert Kimberley die Richtung und zwingt das Tier zum Umdrehen. Immer höher hält sie jetzt die Beute. Das sogenannte Saltie zögert, als überlege es, ob das Ganze überhaupt der Mühe Wert ist. Fast unbeweglich verharrt es für den Bruchteil einer Sekunde.

Kimberley hat eine besondere Beziehung zu ihren Salties aufgebaut

Kimberley hat eine besondere Beziehung zu ihren Salties aufgebaut

Urplötzlich und mit einem jähen Ruck reckt das Krokodil seinen gewaltigen Körper mit der breiten Schnauze empor und schnappt nach der Beute – daneben. So einfach macht es ihm Kimberley nicht. Sie will ihn richtig springen sehen. Wieder ändert sie die Richtung des Köders, wieder verharrt der Jäger im Wasser, scheint unentschlossen. Und diesmal schnellt der goldbraun gepanzerte Rücken einige Meter aus dem brauen Fluss, packt die Büffelspezialität und lässt sie in den Tiefen seines Schlundes verschwinden. Kimberley zieht daraufhin die Rute unbeeindruckt zurück, steckt sie in die vorgesehene Halterung und nimmt Kurs auf die Backbord-Seite des Schiffes.

„Jedes einzelne Krokodil hat seine eigene Persönlichkeit“, sagt die 19-jährige Australierin lächelnd und flechtet dabei ihr dunkelbraunes Haar zu einem Knoten bevor sie ihren Köder wieder auswirft. „Ich mag ihre Wildheit“, gesteht sie weiter ein und man merkt ihr an: Der Job ist mehr als nur Arbeit, es ist reine Hingabe. Doch was macht die Furchteinflößenden Riesen so liebenswert? „Dort drüben hinter der Kurve warte schon Casanova“, sagt Kimberley und zeigt auf die Biegung des Flusses. Casanova? „Weil er bei der Fütterung schon mal den Weibchen den Vortritt lässt“, erklärt die Tierliebhaberin und führt dabei das Büffelfleisch langsam wieder gen Wasser.

Salties können ein Jahr lang ohne Nahrung leben

In den sechs Monaten ihres Jobs an Bord von Jumpin Crocodil Cruises hat sie gelernt, jedes einzelne der Krokodile voneinander zu unterscheiden: an ihrer Schnelligkeit, ihrem Reaktionsvermögen, ihrer Größe oder eben ihrem Sozialverhalten. Jetzt ist Stampi dran, er lässt sich Zeit, genießt es scheinbar, hin und her gelockt zu werden – er spielt mit Kimberley und sie mit ihm. „Es gibt jedes Mal etwas Neues zu entdecken“, erzählt die Krokodil-Dompteurin. Wohl der Grund, warum sie täglich hinausfährt zum Lunch mit Casanova.

Wer die springenden Salties sieht, mag kaum glauben, was der Kapitän über die Bordlautsprecher erzählt. „Sie sind vor allem faul“, tönt es. „Essen müssen sie nicht unbedingt, bis zu einem Jahr lang können sie ohne Nahrung bleiben“, verkündet der Kapitän weiter. Sie seien vor allem „Opportunisten“, die durchaus in der Lage sind, sich gegenseitig zu fressen. Bis zu 85.000 Krokodile tümmeln sich vor der Küste des Northern Territory sowie in den Süßwasserflüssen, den Seen und Sümpfen des Inlandes. Nur einer lebe praktisch in einer Loge, im Crocosaurus Cove mitten im Herzen von Darwin. Er heißt Burt, ist stattliche 85 Jahre alt und bekannt als Moviestar aus der legendären Serie Crocodile Dundee. Er wird von Hunderten Schaulustiger täglich bewundert. Manche wollten seine Zähne von ganz nah betrachten, ist aus den Bord-Lautsprechern zu hören. Sie bezahlen 150 Dollar für die „Death Cage“, eine geschützte gläserne Kabine, die von einem Kran gelenkt wird – so sei der Besucher mit Burt auf Augenhöhe.

Weniger bewundert als vielmehr gefürchtet war die Visite eines Saltie nahe der Strandpromenade von Darwin, wo jeden Donnerstag der legendäre Mindel Beach Sunset Market stattfindet. „Der hatte sich wohl verirrt“, flackst der Kapitän. Denn eigentlich kommen sie den Menschen nicht zu nah, solange man ihren Lebensraum respektiert. Dass dies auch überall eingehalten wird, dafür sorgen die vielen Hinweisschilder und Verbotszonen – „Don’t risk your life“. Sie sind überall im Northern Territory aufgestellt – ob auf Highways, Stränden, den weitläufigen Regionen des nahen Kakadu Nationalparks oder im Lichtfield National Park.

Movie Star aus Crocoile Dundee

Burt, der Movie Star aus Crocoile Dundee

Am Abend auf dem Mindel Beach Market erzählt Robert Mills, ein Aborigine vom Larrakia Stamm über die mythologische Bedeutung, welche die Krokodile seit jeher für sein Volk haben. „I am crocodile“, betont er immer wieder und drückt damit seine Bewunderung für die Tiere aus.  Mills zeichnet ihre weiten Wege in den Sand von Mindel Beach. Sie schwimmen durch den Ozean bis hinauf nach Indochina und Malaysia. „Doch sie kommen immer wieder zurück“, bekräftigt Mills und dann glühen seine Augen, und er sagt: „Wenn du Krokodilfleisch isst, dann isst du mich und meine Familie.“ Es ist der Respekt vor den seit über 240 Millionen Jahren überlebenden Tieren, der den Larrakia diesen besonderen Zugang zu den Salties erlaubt. Auch Kimberley hat ihn.

Mehr Information
Tourism NT / Australia: Darwin (Head Office) 
Level 1
Tel.: + 0061 8 8999 3900
Fax: +0061 8 8999 3888
www.tourismnt.com.au
reception.tourismnt@
nt.gov.au

Jumpin Crocodile Cruise
Tel.: + 0061 8 8978 9077
www.jumpincrocodile.com.au

Attraktion
Burt, das Krokodil aus dem Film Crocodile Dundee befindet sich zusammen mit einer der größten Salzwasserkrokodile in
Crocosaurus Cove, 58 Michell Street, Darwin
Tel: + 0061 8 8941 5522
www.crocosauruscove.com.au

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